Mittwoch, 4. September 2024
Nach einer ruhigen Nacht starten wir gutgelaunt in den neuen Tag. Auch heute weckt uns die Sonne, das heisst wir sollten uns wieder gut eincremen, bevor wir starten. Als erstes machen wir uns nach dem Frühstück auf den Weg zur Brigittenkirche. Wir wollen den Bernsteinaltar besichtigen, der mit seinen 11 m Höhe den 28 Werftarbeitern gewidmet ist, die bei den Aufständen im Dezember 1970 ihr Leben verloren haben. Während der Solidarność-Bewegung war die Kirche Treffpunkt und Aktionszentrum der jungen freien Gewerkschaft um Lech Wałęsa. Wie fast überall hier kostet die Kirche natürlich Eintritt, aber die insgesamt 11 PLN entsprechen ca. 2,60 €, das ist in Ordnung. Allerdings sind wir von dem Altar enttäuscht. Zum einen dürfen nur Teilnehmer einer Führung bis in den Altarraum, alle anderen können nur vom Hauptkirchenschiff aus schauen. Aber abgesehen davon finden wir den Altar auch nicht schön, er besteht größtenteils aus Weinreben, und einer großen Muttergottes, das passt für uns irgendwie nicht zusammen. Aber Kunst muss ja nicht jedem gefallen. Weiter geht es nun zur Mottlau und bis zur Anlegestelle der „Piratenschiffe“. Wir wollen eine Rundfahrt zur Westerplatte und zurück machen. Man hat auch die Möglichkeiten, die Tour an der Westerplatte für 1 oder 2 Stunden zu unterbrechen, aber wir machen die Rundtour und wollen direkt wieder zurück fahren. Wir kapern (es ist ja schliesslich ein Piratenschiff!) uns eine Sitzbank oben an Deck direkt im Bug, und nun heisst es warten. Denn die Abfahrt kann nur zur vollen Stunde erfolgen, da dann die Brücken über die Mottlau hochgefahren bzw. geschwenkt werden. Um 12 Uhr ist es so weit, und wir können zusehen, wie die Brücke beginnt, sich zu heben. Aber wir können immer noch nicht starten, denn vor uns hat sich ein Schiebeschiff gesetzt, das Vorrang hat. Nun bummeln wir also gemütlich hinter dem Kahnverbund her, was sicherlich den Zeitplan des Schiffs leicht durcheinander bringt, aber uns soll es recht sein, wenn die Fahrt ein paar Minuten länger dauert. Die Fahrt wird live kommentiert, und zwar dreisprachig, also polnisch, englisch und deutsch. Die Tour ist wirklich schön gemacht, und wir geniessen die gemächliche Fahrt. Als wir die Tote Weichsel erreichen (die heisst tatsächlich so!) können wir überholen, und das Schiff nimmt etwas Fahrt auf. Nun passieren wir den Yachthafen und können unserem Wohnmobil zu winken, bevor es weiter geht - vorbei an den riesigen Danziger Werften und den Kaianlagen mit Kohle, Schrott und weiteren Gütern, wie zum Beispiel auch Zucker. Nach gut 35 Minuten erreichen wir die Westerplatte, dem Ort, an dem der zweite Weltkrieg begann. Viele verlassen das Schiff, um die Denkmäler auf der Halbinsel zu besichtigen, wir bleiben jedoch an Deck und fahren noch einige Minuten weiter bis wir dann wenden und es wieder zurück geht. Nach insgesamt knapp 90 Minuten erreichen wir wieder die Anlegestelle in der Nähe vom Krantor. Die Fahrt war wirklich lohnenswert, wir haben viel gesehen, viel erfahren und hatten viel Spaß. Nun bummeln wir weiter durch die Stadt und laufen rüber zum sogenannten Amber Sky, einem Riesenrad. Der Blick von oben muss gigantisch sein, und die Fahrt ist mit unter zehn € auch bezahlbar. Ich bin noch nie Riesenrad gefahren, und freu mich schon. Da nicht viel los ist, haben wir Glück und haben die 8 Personen Gondel für uns allein. Die Gondel hat zwei gegenüberliegende Sitzbänke und ist zu Peters Freude vollklimatisiert. Die Tour startet und so sehr ich mich drauf gefreut habe – muss ich leider ganz schnell feststellen das Riesenrad fahren nicht mein Hobby wird. Ganz sicher nicht! Der Ausblick ist jedoch toll, und wir können wunderbare Aufnahmen von Danzig von oben machen. Aber als ich wieder festen Boden unter den Füssen habe, bin ich auch ganz froh. Peter hatte auf jeden Fall riesig Spaß, auch wenn ich noch irritiert bin, dass ich zwar problemlos Seilbahn fahren kann, aber Riesenrad mich ängstigt. Wie auch immer, nun geht es ja wieder zu Fuss weiter. Wir bummeln kreuz und quer durch Danzig und machen ungezählte Photos, bis wir uns dann am Nachmittag auf den Weg zu dem Restaurant mit den Piroggen machen. Das Restaurant hat nur Piroggen – jedoch in den verschiedensten Varianten. Also gedämpft, wie man es kennt, aber auch gebacken oder frittiert, aus Buchweizenmehl oder Hefe, aus Nudelteig oder oder oder. Mit jeweils um die 8 € pro Portion entscheiden wir uns einfach dazu, von jeder Sorte einmal zu nehmen. Die gedämpften Piroggen nehmen wir ganz traditionell mit Hackfleischfüllung und Speck und Zwiebeln dazu. Als gebackene Piroggen wählen wir eine Füllung aus Hähnchenfleisch, Mais, roten Zwiebeln und Gurke mit einem Knoblauchdip. Und für die frittierten nehmen wir eine spannende Mischung mit Hackfleisch, Ingwer, Lauch, Tofu, dazu gibt es Kimchi (fermentiertes Gemüse) und Sojasauce. Unser Fazit: lecker war alles, aber am besten sind die traditionellen gedämpften Piroggen. Die Piroggen aus Hefeteig schmeckten eher wie ein mexikanisches deftiges Gebäck, und die frittierten erinnerten an kleine Frühlingsrollen. Allerdings hat Peter sein Faible für Kimchi entdeckt, mir ist das allerdings viel zu scharf! Aber wie gesagt, lecker war es allemal, und wir werden zu Hause versuchen, auch mal Piroggen zu machen. Nun machen wir uns langsam auf den Rückweg, denn für heute reicht es uns. Einen letzten Stop gibt es aber noch, denn wir sehen uns noch das Bahnhofsgebäude an, das ist wirklich wunderschön. Zurück am Womo gibt es erst einmal einen Espresso, und den Abendanruf bei Mutter. Aber dann laufen wir später doch nochmal los, wir brauchen noch einen Briefkasten, und der nächste ist am alten Postamt. Das ist gleichzeitig auch ein Mahnmal des zweiten Weltkriegs, denn zeitgleich mit der Westerplatte fand hier ein Angriff auf das Postamt statt, das leider fast 50 Menschenleben kostete. Nach nicht einmal 15 Minuten sind wir zurück, und mittlerweile ist auch das Pärchen aus Nürnberg hier auf dem Platz angekommen, mit denen wir uns gestern Abend festgequatscht haben. Nach einer guten Stunde verabschieden wir uns von den beiden und ziehen uns ins Womo zurück. Ich will noch tippern, und Peter möchte sich die Route für morgen nochmal anschauen. Das erste Ziel des Tages heisst Marienburg, eventuell geht es dann noch weiter zur Wolfsschanze, mal schaun wie weit wir kommen.