Die Nacht ist laut und unruhig, denn auf dem Parkplatz, auf dem wir übernachten, stehen große Müllcontainer, und scheinbar bringt halb Klaipėda den Müll mitten in der Nacht zur Sammelstelle. Entsprechend müde sind wir heute früh, aber es nutzt nichts, wir haben noch einiges vor. Als erstes frühstücken wir gemütlich, dann machen wir alles reisefertig und starten Richtung Hafen. Dazu müssen wir einmal durch Klaipėda. Die Fähre legt gerade an, das Ticket ist schnell gebucht und wir können bereits als zweites Fahrzeug drauf fahren. Die Fähre wird wirklich bis Anschlag vollgepackt, und zum Schluss kommt sogar noch ein Fahrzeug hinten quer drauf. Die Überfahrt reicht gerade für ein paar Photos, nach nicht einmal zehn Minuten sind wir drüben. Wir kommen an eine T-Strasse, rechts geht es nach Smiltynė, dort befindet sich ein Delfin- und ein Meeresmuseum. Smiltynė gehört übrigens noch zu Klaipėda, und nicht zu Neringa. Wir biegen jedoch nach links ab. Die Strasse führt nun von hier knapp 50 Kilometer bis nach Nida, danach beginnt die russische Grenze. Zwischendurch zweigen nur einige schmale Strassen zu den anderen kleinen Ortschaften der Insel ab. Auf dem Weg nach Nida – oder Nidden, wie es früher hiess – haben wir noch einige Stopps eingeplant. Die Strasse ist unerwartet gut, im Internet gab es Gruselgeschichten, wie schmal die Strasse ist und wie schlecht zu fahren. Aber das ist vermutlich schon eine Weile her. In Alksnynė beginnt eine Baustelle und gleichzeitig ist hier auch die Mautstelle. Da es aber auch die einzige Maustelle in ganz Litauen ist, sind wir ganz entspannt, und zahlen unseren „Eintritt“ auf die Kurische Nehrung klaglos. Und später werden wir sogar sagen: wir zahlen die Maut mit Freude! Aber erst einmal geht es weiter. Die Baustelle ist lang, die Strasse wird erneuert, und zwar sogar mit Flüsterasphalt. Dann erreichen wir den bekannten Ort Juodkrantė. Bekannt daher, weil zwischen 1850 und 1860 riesige Bernsteinvorkommen gefunden wurden, was unter anderem zum Bau des heutigen Hafens führte. Der Ort ist – wie es so schön heisst – pittoresk, es gibt eine nette Promenade, alles ist hübsch hergerichtet. Weiter geht es nun zu einem Aussichtspunkt für Graureiher und Kormorane. Der Parkplatz ist einfach ein Stück der alten Strasse, aber da nur zwei PKW dort stehen, haben wir reichlich Platz. Allerdings machen die 10 Personen, die mit den zwei Autos unterwegs sind, einen Höllenspektakel auf dem Aussichtspunkt, so dass uns direkt klar wird, mit den Kormoranen wird das heute nichts. Es handelt sich um acht Frauen und zwei Männer, und die Gruppe krakelt und ist einfach so laut, dass vertreibt alles Getier im Umkreis von 10 Kilometern. Aber uns ist klar, warum die in jedem Auto zu fünft unterwegs sind – die Maut wird nach Fahrzeug berechnet, nicht nach Personen. Nachdem die Gruppe weg ist, warten wir noch etwas, aber leider lässt sich kein Vogel blicken, also machen auch wir uns auf den Weg. Weiter geht es zu einem Aussichtspunkt namens Avikalnis Observation Deck, dort kann man einen Pinienwald bewundern und es wird der Unterschied zwischen den üblichen geraden Waldpinien und den „Wolfsbäumen“ erklärt. Die normalen Waldpinien wachsen ganz gerade und schlank nach oben, während die Wolfsbäume bereits am Stamm dick und knubbelig werden und nur als Brennholz taugen, das heisst im Wirtschaftsforst nicht gern gesehen sind. Also haben wir wieder etwas für unseren Klug getan. Nun geht es weiter zu den sogenannten Toten Dünen. Diese haben im Lauf der Jahrhunderte Orte unter sich begraben, daher der Name. Der Parkplatz ist schmal und eng, aber glücklicherweise fahren gerade einige PKW weg, und Peter kann Tatzel rückwärts in eine Bucht rangieren. Jetzt können wir nur hoffen das sich gegenüber in die Busbucht keiner reinstellt, sonst wird es später eng mit dem Rausfahren. Aber jetzt wollen wir erst einmal auf die Düne. Der Weg ist etwas über einen Kilometer lang, der erste Teil besteht aus Holzplanken. Nach ungefähr der Hälfte der Strecke kommen Bänke, und hier stehen einige Schuhe im Sand. Also ziehen auch wir unsere Schuhe aus und ab hier geht es nun durch feinsten warmen weissen Sand auf die Düne rauf. Am Ende ist eine kleine Holzbrücke, die führt allerdings nirgendwo rüber, sondern bietet einfach nur einen erhöhten Ausblick über das Haff. Die Landschaft ist bizarr und schön zugleich. Wie immer machen wir jede Menge Photos, dann gehen wir langsam zurück. Unterwegs sammeln wir wieder unsere Schuhe ein und erreichen nach insgesamt einer Stunde wieder unser Womo. Und natürlich steht jetzt tatsächlich ein Kastenwagen gegenüber in der Bucht, als er jedoch sieht das wir rauswollen, macht er direkt Platz. Nun fahren wir durch bis Nida, dort wollen wir für die kommenden zwei Tage auf den Campingplatz, denn Wildcampen im Naturschutzgebiet ist verständlicherweise verboten. Wir haben über den Platz viele verschiedene Beurteilungen gesehen, von sehr gut bis katastrophal ist alles dabei. Mal schauen, was uns erwartet, wir sind gespannt, aber es gibt hier nur den einen Campingplatz auf der Nehrung. Die Begrüssung ist schon mal top, wir bekommen auch direkt jede Menge Infoblätter zu Ausflügen, Geschichte der Nehrung und Strassenkarten in die Hand gedrückt, und wir haben freie Platzwahl, da nicht allzu viel los ist. Und dann sehen wir, was einige (Deutsche) sicher irritiert. Der Platz befindet sich -wo auch sonst – in einem Pinienwald. Und kreuz und quer zwischen den Bäumen (da die Bäume nun einmal durcheinander stehen) sind mit kleinen Randsteineinfassungen Stellplätze markiert. Ja man muss wirklich zweimal schaun bis man erkennt wo sich eigentlich genau der Stellplatz befindet. Aber zu den Parzellen auf deutschen Campingplätzen, die immer parallel nebeneinander liegen, ist das mal eine Abwechslung. Auch die Duschen werden bemängelt, da sich die Duschen alle nebeneinander befinden und immer nur durch eine halbhohe Wand abgetrennt sind, jedoch ohne Tür. Finde ich persönlich auch nicht schlimm, aber ja, mancher wünscht sich da vermutlich mehr Privatsphäre. Wir sind auf jeden Fall sehr zufrieden, und machen uns nun auf, die nächste Düne zu erkunden. Denn gleich hier beginnt ein 600 m langer Weg (natürlich steil bergauf) zur Parnidis Düne. Wir kommen an einigen Verkaufsständen mit (angeblich) echtem Bernstein vorbei. Ist klar, 10 identisch aussehende riesige Schlüsselanhänger mit jeweils einem Skorpion drin, alles echter Bernstein und das Ganze für ein paar Euro. Das halten wir dann doch eher für unwahrscheinlich. Wir laufen weiter bis zur höchsten Stelle, hier gibt es eine Aussichtsplattform mit einer großen steinernen Sonnenuhr. Von hier führen Wege auf und über die Düne. Das Verlassen der Weg und vor allem das Klettern auf den Hängen ist bei Strafe verboten, laut Wissenschaftlern soll jeder einzelner Besucher, der sich abseits der ausgewiesenen Wege bewegt, mehrere Tonnen Sand in Bewegung setzen. Das hat dazu geführt, dass die Düne in den letzten 30 Jahren massiv an Höhe verloren hat. Wir laufen sicherlich eine halbe bis dreiviertel Stunde über die Düne, bevor wir zurück zur Aussichtsplattform gehen. Morgen wollen wir eventuell die Düne einmal umrunden. Das Gebiet ist Richtung Sperrbereich zur russischen Grenze durch einen Zaun gesichert, das heisst wir können uns nicht verlaufen. Jetzt wollen wir aber erst einmal das kleine Örtchen Nida erkunden. Von der Düne führt ein Holzplankenweg runter zum Ort, wir flanieren an kleinen Fischerhäuschen vorbei und kommen zum Hafen. Dort findet gerade eine Segelregatta für Taubstumme statt. Was uns hier auffällt: es ist alles sehr liebevoll hergerichtet, überall gibt es Sitzbänke, oft mit kleinen Blumenkästen dekoriert und immer eine Mülltonne daneben. Es gibt zahlreiche öffentliche WC, alles ist sauber und die vielen Radwege sind meist sogar zweispurig. Und die Strassen sind mit denen auf dem Festland überhaupt nicht zu vergleichen, sondern einfach top. Also wenn der „Eintritt“ auf die Kurische Nehrung so genutzt wird, dann zahlen wir unseren Obolus wirklich freudig. Nun laufen wir zurück zum Campingplatz, für heute reicht es. Aber nach einer kurzen Pause am Womo ziehen wir doch nochmal los, denn der Strand ist nur ungefähr 800 m entfernt. Nach wenigen Minuten sind wir bereits da, und der Strand ist wirklich gigantisch. Es gibt hier einen Textilfreien Bereich und einen Textilbereich, alles ist genau beschildert. Sogar für die Raucher gibt es einen extra Bereich mit Aschenbechern, hier wird scheinbar fast an alles gedacht. Obwohl die Wellen ganz schön peitschen, springen wir aus den Schuhen und laufen eine Runde durchs Wasser. Was für ein schöner und scheinbar unendlicher Strand. Naja, nicht ganz unendlich. Denn links sehen wir einen Suchscheinwerfer, und als Peter den Zoom der Handykamera nutzt sehen wir einen Stacheldrahtzaun, der über den Strand gespannt ist. Hier beginnt also der Sperrbereich zu Russland. Näher wollen wir der Sache auch gar nicht kommen, also nehmen wir die nächste Treppe hoch über die Dünen, und gehen gemächlich zurück zum Campingplatz. Jetzt noch duschen, und dann ist Feierabend für heute. Mit Mama haben wir gerade auch noch telefoniert, da ist auch alles im grünen Bereich. Dann kann der Abend ja langsam ausklingen, denn wir sind beide arg müde, die letzte Nacht spüren wir noch nachhängen.