Sonntag, 6. Juni 2021
Mittlerweile ist der achte Tag unsere Schwedenreise angebrochen. Und noch immer lacht uns die Sonne. Wenn das so weiter geht werden wir noch zu echten Sonnenanbetern. Eigentlich wollen wir heute eine Tour bis ganz in den Süden der Insel machen, Gesamtetappe etwas über 40 km. Aber die Radelei gestern hat bei mir ihre Spuren hinterlassen. Ich habe eine dicke Beule am Gesäß vom radeln und weiss nicht ob ich heute nochmal so eine lange Tour machen will. Also entscheiden wir uns, einen faulen Tag zu machen. Wir lassen uns bei allem Zeit, ich koche uns eine ganze Kanne Kaffee und wir setzen uns in die Sonne. Doch irgendwie ist stillsitzen nicht so unseres. Also probiere ich eine Kombi aus Radler-Unterwäsche und Radlerhose und fahre ein paar Proberunden über den Platz. Tut weh, ist aber auszuhalten. Für die ganz große Runde ist es nun schon etwas spät, also müssen wir umdisponieren. Peter schnappt sich die Tourenkarte und schlägt eine Route mit ca. 20 km vor. Los geht es bei uns direkt über den Strand bis zum Leuchturm. Dann wollen wir weiter am Strand von Norsta Auren entlang bis Skär, weiter am Nordersand und über Sudergarda zurück. So lautet zumindest der Plan. Peter wirft sich nun auch in die Radlerklamotten, schnell etwas zu trinken in die Rucksäcke, ein paar Kekse eingepackt und los geht es. Der Anfang ist ok, der Sand bei uns am Strand ist feucht und fest, wir kommen mit den Rädern gut durch. Doch dann wird der Strand immer schmaler und felsiger und wir kommen mit den Rädern nicht mehr weiter. Nun heisst es schieben. Am Waldrand sehen wir eine Art Feldweg. Doch der ist leider nicht fest sondern besteht aus feinem tiefen Sand. Nun beginnt ein Wechsel aus schieben, fahren, im Sand stecken bleiben, weiterfahren, schieben und zwischendurch viel fluchen. Wobei uns die tolle Landschaft für vieles entschädigt. Wir kommen an einer alten Windmühle vorbei, mittlerweile allerdings ohne Flügel, ausserdem scheinen oben im Turm Schießscharten zu sein. Wir recherchieren später noch das es die Windmühle vom Kap Hajmariv ist - aber mehr leider auch nicht. Hier beginnt jetzt ein Stück coole Mountainbike-Strecke. Im engen Slalom windet sich ein schmaler fester Weg zwischen den Bäumen durch. Oft müssen wir uns unter den Zweigen durch ducken, manchmal soweit das unsere Nasenspitzen den Fahrradcomputer berühren. Und wenn man den Zweigen der blühenden Kiefern doch zu nahe kommt geht ein riesiger Pollennebel auf uns herab. So etwas habe ich bei uns noch nie gesehen. Nun sind wir wieder direkt an der Küste, und hier oben steht eine alte Rattansitzbank. Dort machen wir eine kurze Rast und schauen nochmal auf Google Maps, wie wir nun doch auf die Strasse kommen. Denn auch wenn wir jetzt einen knappen Kilometer radeln konnten, den Großteil der bisherigen Strecke haben wir durch Sand oder über Felsen geschoben. Ok, wir haben Empfang und laut Google sollen wir ca. 1 km vor dem Leuchtturm die Strasse erreichen. Wir kämpfen uns durch und tatsächlich, keine 100 m nachdem wir zwischen den Bäumen rauskommen steht das Schild: Fyr 1 km. Schnell bekommen wir wieder Tempo drauf und sind ruckzuck beim Leuchtturm. Nur schade dass der scheinbar mittlerweile in Privatbesitz ist. Wir können ein paar Photos machen, aber rein kommt man nicht. Und auch der Strand besteht nur aus großen Felsen und lädt nicht gerade zum verweilen ein. Also schwingen wir uns wieder auf die Räder und fahren weiter. Wir lassen Norsta Auren rechter Hand, fahren durch Skär und oberhalb vom Nordersand mit seinem breiten Sandstrand. Es gibt zum Glück nur wenig Verkehr und so können wir auch die Fahrt auf der Strasse geniessen. In Sudergarda halten wir als erstes an der Hembageri. Das ist eine Hausbäckerei (laut Übersetzer) und auf den ersten Blick denke ich dass die schon geschlossen hat. Ja, fast richtig. Aber Peter liesst das Schild an der Tür zum Glück nochmal und reimt sich das schwedisch so zusammen, dass man hinten zur Terrasse gehen soll. Tja, und dann finden wir ein typisches schwedisches Phänom: das Urvertrauen das alle Menschen ehrlich sind. Denn die ganze Terrasse ist vollgestellt mit großen Tischen und darauf stehen Körbe voll mit Brot, Gebäck, Kuchen, süße und deftige Leckereien - einfach alles gibt es dort. Dazu große Pumpkannen mit heissem Kaffee, und einen Kühlschrank mit Krabben, Belag für aufs Brot, Butter, Margarine, Salat, Kaltgetränken und und und. Die Bezahlung erfolgt entweder in bar in einen alten Margarinetopf oder per Swisch, einer App zum bezahlen. Wir haben Glück und vor uns ist nur eine Dame. So können wir uns in Ruhe all die Leckereien anschauen und nehmen dann ein (hoffentlich) süßes Brot mit fürs Frühstück, denn unser Brioche ist fast alle. Mal schauen ob es das auch ist und wir nicht aus Versehen ein Olivenbrot erwischt haben. Gerade als wir unser Geld in den Margarinetopf gesteckt haben, kommen vier Autos gleichzeitig an. Schnell schwingen wir uns wieder auf die Räder und fahren ein paar hundert Meter weiter zum ICA und gönnen uns ein Eis, das haben wir uns heute auch verdient. In Summe sind es zwar nicht die ursprünglich geplanten 40 km geworden sondern nur 20 km, aber die haben wir uns zum Teil hart erkämpfen müssen. Zurück am Womo ist Espresso-Zeit. Dann geht es erst mal zum duschen. Der Campingplatz hat sich etwas gefüllt, morgen ist in Schweden Nationalfeiertag und hier sind einige schon kräftig am feiern. Der Rest des Abends verläuft entspannt: leckeres Grillen, nochmal eine gute Stunde spazieren gehen und dann ist Feierabend angesagt. Morgen wollen wir nun tatsächlich mal faulenzen. ich bin gespannt ob wir das schaffen?



Samstag, 5. Juni 2021
Wir starten den Tag gemütlich mit leckerem Kaffee aus unserer Nespresso. Bis jetzt war das ein ewiges hinstellen und wegräumen, weil die Kaffeemaschine - obwohl so klein - doch immer im Weg stand. Aber dann hat Peter eine Wandhalterung entdeckt. Ok, eigentlich ist das keine Wandhaltung, aber man kann sie dazu umbauen. Und nun hängt unsere kleine Inissia an der Wand zum Kühlschrank. Dort kann sie die ganze Zeit - auch während der Fahrt - hängen bleiben und ich muss sie nicht jedes Mal wegpacken, nur weil ich abwaschen oder kochen will. So langsam bekommt unser Tatzel immer mehr unseren ganz persönlichen Touch. Nach dem frühstücken sitzen wir noch eine Weile in der Sonne, ich lese noch ein bisschen in meinen Küstenkrimis und irgendwann packt uns doch die Unruhe. Wir wollten ja ein bisschen die Insel erkunden. Wir packen ein paar Sachen in die Rucksäcke - Getränke, ein paar Kekse, Jacken und Sonnencreme - dann machen wir uns auf den Weg. Wir wollen von Sudersand quer rüber nach Langhammarshammaren, in das Naturreservat. Ganz so quer durch wie wir wollen klappt es leider nicht. Trotzdem finden wir eine wirklich tolle und kreative Radstrecke. Die Wege sind abseits der Straßen oft schlecht, also grob geschotterte Feldwege mit teils tiefen Auswaschungen. Mama würde die Krise bekommen und auch ich fluche zwischendurch, weil es teils heftige Schläge ins Kreuz gibt. Aber dafür gibt es keine Autos, und landschaftlich ist es toll. Wir fahren zwischen verstreuten Gehöften durch, oft führt der Weg über private Grundstücke. Aber die einzige Vorgabe heisst: stäng grinden, also Gatter schliessen. Schnell haben wir uns darauf eingespielt - Peter fährt vor, öffnet meist aus dem Sattel raus das Gatter und hält mir das Tor auf. Ich steige ab, schiebe mein Rad durch und schliesse das Gatter wieder sorgfältig hinter uns. Weiter geht es - meist zwischen Kiefernhainen durch und vorbei an riesigen Fliederbüschen. Es duftet nach Sommer und wenn man es nicht besser wüsste, könnte es auch die Bretagne sein. Der Weg ist länger als geplant, aber nach knapp 14 km sind wir am (ersten) Ziel. Es tummeln sich tatsächlich diverse Wohnmobile hier und einige Autos und Radler. trotzdem verläuft sich alles noch gut, von Menschenaufläufen wie auf Sylt sind wir weit weg. Nach der üblichen Photo-Orgie geht es weiter. Eigentlich wollten wir direkt wieder zurück, aber der Tag ist jung und das Wetter toll. Also fahren wir zurück Richtung Sike. Kurz vorher biegen wir nach Helgumannen ab, dort gibt es ein kleines altes Fischerdorf zu besichtigen. Wobei die Bezeichnung Dort für 10 Fischerhütten schon hochgegriffen ist. Aber schön ist es und man kann die alte Räucherei immer noch riechen. Dann fahren wir noch die 4 km lange Digerhuvud Nationalreservat Route ab, dort reiht sich Felsformation an Felsformation. Nicht so spektakulär wie gestern in Folhammars aber trotzdem beeindruckend. Nun fahren wir direkt durch nach Lauterhorn in den Hafen. Dort befindet sich der Gästehamn. Ein Wohnmobilstellplatz mit tollem Ausblick. Man darf dort so lange stehen wie man möchte, Bezahlung in bar oder am Ticketautomat. Es gibt Strom, Wasser, Sanitär und Dusche. Top, vielleicht fahren wir da auch noch für eine Nacht hin, bevor wir uns auf den Rückweg nach Gotland machen. Aber jetzt machen wir uns erstmal auf den Rückweg zum Campingplatz. Noch ungefähr 14 km liegen vor uns, und es ist ganz schön warm. Nach 12 km erreichen wir den einzigen Supermarkt auf Fǻrö. Dort machen wir einen schnellen Stop, füllen unsere Salatvorräte auf und zufälligerweise haben die auch noch Waffelhörnchen mit Salted Karamell Eis in der Truhe an der Kasse, das haben wir uns jetzt auch verdient. Wir setzen uns vor dem Laden aufs Bänkle in die Sonne und geniessen wohlig das leckere Eis. Dann geht es auf die letzten knapp 2 km und wir sind dahoam. Oh, heute Nacht schlafe ich glaube auf dem Bauch. 40 km waren es jetzt heute. Da lächeln vermutlich viele drüber, aber für uns Schreibtischtäter war das nach einem dreiviertel Jahr Pause echt anstrengend. Als erstes mache ich uns Kaffee, dann verräumen wir die Einkäufe. Eigentlich wollen wir ja die Füsse hochlegen, aber das Wetter ist zu schön. Also schnappen wir uns unsere Schlappen und gehen nochmal zum Strand. Einmal wenigstens noch Füsse baden heute. Zurück am Womo wird es langsam Zeit das Abendessen vorzubereiten. Es steht ? bei dem Wetter keine Frage ? Salat und grillen auf dem Plan. Nach dem Essen packen wir den Abwasch einfach in eine große Schüssel. Das muss bis morgen warten. Jetzt heisst es noch schön duschen und dann ist Feierabend. Mittlerweile ist es auch schon echt frisch draussen, daher setz ich mich zum schreiben rein. Während mein Mann mir Gesellschaft leistet, fliegen meine Finger über die Tastatur. Ein toller Tag liegt hinter uns - mal schauen was der morgige bringt.



Donnerstag, 3. Juni 2021
Den Rest des Abends verbringen wir mit Kreuzworträtseln, Cider und Erdnüssen. So lässt es sich aushalten. Kurz vor Mitternacht geht es dann ins Bett. Am Morgen weckt uns - HURRA - wieder die Sonne, ein toller Start in den Kennenlern- und Hochzeitstag! Heute vor 19 Jahren haben wir uns das erste Mal getroffen, und heute vor 12 Jahren haben wir geheiratet. Und auch wenn es total kitschig klingt: es war Liebe auf den ersten Blick. Nicht geplant, eigentlich auch gar nicht gewollt, aber manchmal passiert es eben einfach! Wir frühstücken draussen in der schon ziemlich warmen Sonne und schauen dabei aufs Meer. Dann packen wir zusammen und machen uns langsam auf den Weg weiter Richtung Norden und zur Fähre. Aber mein Mann wäre nicht mein Mann, wenn er den Weg nicht mit dem ein oder anderen kleinen Ausflug garniert hätte. Als erstes geht es zu einer Fischräucherei. Wo auch immer er die im Internet gefunden hat - die Idee ist klasse. Wir sind recht früh und müssen noch eine viertel Stunde überbrücken bis diese öffnet, solange bummeln wir am Anleger lang. Die Auswahl ist gut, beläuft sich allerdings größtenteils auf Lachs und Ostseegarnelen in verschiedensten Varianten. Geräuchert, frisch, gekocht, mariniert und und und. Wir entscheiden uns für zwei unterschiedliche Stücke geräucherten Lachs, einmal pur und einmal mit einer Pfefferkruste. Schnell verstauen wir den Fisch im Kühlschrank und weiter geht es. Wir fahren weiter an der Küste entlang, da sehen wir links ein gigantisches Zementwerk der Heidelberger Zementgruppe. Bevor wir reagieren können sind wir vorbei. Aber es gibt davor einen großen Parkplatz mit Infotafeln und einem tollen Blick, also gewendet und zurück. Das Ganze erinnert ein bisschen an Rheinbraun an der A46. Wir machen ein paar Photos und flüchten dann schnell, als ein Schulbus ankommt. Hier finden also gerade ganz normal Klassenausflüge statt, ohne Masken, ohne Abstand. Auf der einen Seite für uns gerade kaum vorstellbar. Auf der anderen Seite ist Kind sein in Schweden aktuell sicherlich einfacher als in anderen Ländern. Welcher Weg letztendlich der richtige oder der bessere ist, zeigt sich wie so oft am Ende. Wir fahren weiter Richtung Norden, der nächste Halt ist in Smöjen. Dort fahren über schmale Schotterpisten (die ich kaum mit dem Ranger fahren würde!) zu einem stillgelegten Kalkwerk. Wir sind wieder direkt an der Küste, das Wasser ist klar wie ein Bergsee. Vom Kalkwerk sind nur noch ein paar Ruinen übrig und einige kleine Badeseen. Das Gelände wird scheinbar als Cross-Strecke benutzt. Wir klettern ein bisschen rum, dann gehen wir ans Meer und laufen eine Runde durchs Wasser. So klar wie es ist so kalt ist es auch. Bitter kalt um genau zu sein, aber die Sonne trocknet und wärmt uns schnell wieder auf. Der Platz hier ist idyllisch und abgeschieden, und das Gelände ist wirklich riesig. Vielleicht machen wir es wie die beiden anderen Paare mit ihren Wohnmobilen hier, und machen auf dem Rückweg eine Nacht Station. Aber jetzt müssen wir weiter, denn wir haben für die kommenden fünf Tage einen Campingplatz gebucht. Aber bevor es zur Fähre geht, hat Peter noch einen weiteren Wegpunkt geplant, und zwar auf der Insel genau auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht. Dort ist auch ein stillgelegtes Kalk- und Sandsteinwerk, das scheinbar als Museum umgebaut wurde. Allerdings ist es noch geschlossen, wie aktuell vieles in Schweden. Der Weg bis auf die Landzunge ist noch spektakuläre als der vorherige. Peter muss immer wieder tiefe Löcher umfahren und herab hängenden Ästen ausweichen. Aber alles geht gut und wir werden wieder mit einem tollen Blick auf die Ostsee belohnt. Nun geht es aber wirklich zur Fähre. Und wir haben Glück, denn die hat gerade angelegt und die Fahrzeuge rollen noch runter. Wir stellen uns in der Schlange an und haben tatsächlich Glück das wir direkt mitkommen, und da die Fährverbindung nach Fǻrö als Straße gilt, ist die Fähre kostenfrei. Nun sind es noch 17 km und wir erreichen den Campingplatz. Wir haben vorab gebucht und uns den Platz aussuchen können, und wir sind total begeistert, denn der Stellplatz ist riesig. Nun heisst es aufbauen, mal schauen ob wir noch so schnell sind wie letztes Jahr. Und ja, wir haben nichts verlernt. Jeder Handgriff sitzt: Teppich, Markise, Sturmbänder - und wir sind fertig für den Nachmittags-Espresso. Als nächstes folgt ein Spaziergang ans Meer. Unendlicher Sandstrand, und das Wasser ist auch deutlich wärmer als vorhin. Dann erkunden wir noch den restlichen Platz, bevor wir es uns vor unserem Womo gemütlich machen. Bevor ich in die Tasten greife bereite ich noch den Salat fürs Abendessen vor. Nun noch Korrektur lesen, hochladen und dann kann der Grill gestartet werden. Mal schauen was uns morgen erwartet.