Wir werden von strahlendem Sonnenschein geweckt! Es ist zwar kalt, aber der Himmel ist blitzblau. Kurz nach unserer Ankunft vor zwei Tagen ist ein weiteres Wohnmobil hier auf den Parkplatz gekommen, ebenfalls aus Bayern. Bis dato haben wir immer nur kurz gegrüßt, aber nun halten wir doch noch ein Schwätzchen mit ihm, denn er schaut die ganze Zeit in unsere Richtung. Er fragt, wie unser Wohnmobil zu dem Namen gekommen ist, und wir lösen auf, dass unsere Jungfernfahrt über den Tatzelwurm Pass ging. Da musste er lachen, denn er wohnt dort um die Ecke. Langsam wollen wir aber los, daher wünschen wir ihm und seiner Frau noch eine gute Reise und starten. Als erstes geht es in den Osten der Stadt, dort gibt es eine Tankstelle die angeblich deutsche Gasflaschen auffüllt. Und das wäre wirklich prima, denn die erste unserer beiden Gasflaschen ist so gut wie leer, es sind vielleicht noch 200 oder 250 Gramm Gas drin. Aber der Herbst ist da und die Temperaturen gehen nachts bereits nahe an den Gefrierpunkt, daher wäre es gut, wenn beide wieder voll wären. Ja, und tatsächlich haben wir Glück, binnen fünf Minuten ist die leere Flasche aufgefüllt, für gerade mal 15,30 €. Wir sind begeistert, also frieren müssen wir diesen Urlaub sicherlich nicht. Nun geht es weiter, Peter hat als Zwischenstopp noch einen schönen Wasserfall rausgesucht. Man kann den Wasserfall von zwei Seiten anfahren, allerdings stellen wir fest, dass der von uns ausgewählte Parkplatz gerade auf Grund einer Baustelle nicht zu erreichen ist. Peter wendet und fährt noch mal knapp zwei Kilometer zurück, jetzt klappt es und wir kommen zum Parkplatz auf der gegenüberliegenden Seite. Das Wasser am Jägala donnert um die acht Meter in die Tiefe, allerdings läuft das Wasser aktuell nur auf der halben Breite, aber es sieht trotzdem toll aus. Nach einem Viertel Stündchen machen wir uns wieder auf den Weg, nun geht es in den Lahemaa Nationalpark, dort wollen wir den Majakivi - Pikanõmme Wanderweg laufen. Die Strassen sind überraschenderweise sehr gut ausgebaut, obwohl der Wanderparkplatz mitten im Wald liegt. Das hängt aber vermutlich damit zusammen, dass hier auch Linienbusse fahren. Der Parkplatz ist nicht riesig, aber es steht nur ein PKW dort, also haben wir massig Platz. Peter nimmt vorsichthalber den Rucksack mit, den bestücken wir mit Trinkflaschen und Müsliriegeln, und los geht es. Der knapp sieben Kilometer lange Lehrpfad führt in Form einer Acht durch den Wald und Sumpf, und führt an einigen beeindruckenden Findlingen vorbei. Auch hier gibt es wieder etliche Informationstafeln zur Vegetation, und der gesamte Rundweg ist grün-weiss markiert, selbst ich würde mich hier nicht verlaufen. Der Weg ist sehr unterschiedlich, wir laufen sowohl über breiten weichen Waldweg, dann verengt sich der Weg zu einem Trampelpfad, und immer wieder gibt es auch lange beplankte Stege. Das ist jedoch tückisch, denn mittendrin sind manchmal Bretter verrottet, man sollte seine Schritte mit Bedacht wählen, sonst landet man schneller im Moor als gedacht. Nun geht es weiter durch den Wald aus Fichten, Kiefern und Birken und wir kommen zum drittgrößten Findling Estlands, dem Majakivi. Mittels einer Leiter kann man den sieben Meter hohen Felsen besteigen, was wir natürlich auch umgehend tun. Mit seinem Umfang von mehr als 40 Metern ist der einfach gigantisch, wir sind gespannt, wie wohl der größte Findling Estlands erst aussieht. Ungefähr auf halber Strecke des Rundweges erreichen wir auf einer Sanddüne den Aussichtsturm Pikanõmme mit gut dreißig Metern Höhe. Zuerst geht es aber 62 Stufen bis zum Beginn des Turms, dann noch einmal 90 Stufen bis auf die oberste Aussichtsplattform. Ach ja, wenn wir für jede Stufe, die wir diesen Urlaub gelaufen sind, einen Euro bekämen, wäre der Urlaub längst bezahlt, und die beiden nächsten vermutlich auch. Aber schnell sind wir oben, und der Blick über die Bäume bis zur Ostsee ist bei dem Sonnenschein unglaublich. Weiter geht es über Stock und Stein und es wird spannend. Es gab die letzten Wochen starken Windbruch, und immer wieder ist der Weg durch umgestürzte Bäume blockiert. Meist klettern wir einfach flink drüber, aber einmal kommen wir an eine Stelle, da müssen wir großräumig umklettern und stehen dann irgendwann etwas verloren im dichten Gebüsch. Echtes Abenteuer – doch Peter führt uns dann doch wieder zurück auf den richtigen Pfad – zum Glück! Dann sind wir auch bald zurück am Womo. Als erstes koche ich einen Espresso in unserer kleinen neuen Bialetti Espressomaschine, die Mama uns noch extra für unsere Reise gekauft hat, dazu gibt es ein Stück von dem Marmorkäsekuchen aus dem Supermarkt. Gut gestärkt überlegen wir, wie es nun weiter geht. Peter hat noch eine tolle Wanderung hier in der Nähe herausgesucht, aber dafür ist es heute zu spät. Also fahren wir spontan den Campingplatz Lahemaa an. Das Tor ist zu, aber wir rufen einfach mal an. Und tatsächlich, wir sollen reinfahren, das Tor ist nur zugeschoben und nicht versperrt. Der Besitzer kommt später oder morgen zum Kassieren vorbei. Der Platz ist der Wahnsinn, direkt am Strand in einem lichten Wald, und dazu ein hübsches modernes Sanitärgebäude, und mal wieder ganz allein für uns. Wir laufen eine Runde am Strand entlang, dann gehen wir erst einmal duschen. Es gibt auch eine große Küche, also wird heute extern gekocht. Es gibt Bratkartoffeln und dazu Nacken Steaks, die wir vorhin noch im COOP gekauft haben. Während ich in der Küche bereits erste Vorbereitungen mache, kommt der Besitzer angefahren. Obwohl der Besitzer meint, dass wir erst morgen zahlen sollen, erledigt Peter das direkt, dann können wir morgen früh starten, wann immer wir wollen. Ich unterbreche das Zwiebelschneiden, denn wir wollen an den Strand und den Sonnenuntergang geniessen. Die Sonne versinkt leuchtend orange in der Bucht, wie gemalt. Ich husche mich wieder in die Küche, wir sind hungrig. Nach dem Abwasch klönen wir noch eine Weile mit Muttern, und dann machen wir es uns im Womo gemütlich. Während ich tipper plant Peter wieder die nächsten Tage. Bericht folgt.