Wir sitzen bis Mitternacht und etwas darüber hinaus an der Planung der kommenden Tage, dann gehen wir müde ins Bett. Der nächste Tag weckt uns kalt – dafür aber sonnig und trocken. Als erstes fahren wir auf den 100 Metern entfernten Platz am Hafen. Dort fragt Peter freundlich nach, ob wir die WC-Kassette in den Toiletten dort entsorgen dürfen. Ja – wir dürfen, das ist ja schon mal prima. Dann gibt es auch noch Frischwasser, und kurze Zeit später sind wir dann wieder reisefertig und für mindestens drei weitere Tage „Autark“. Als erstes geht es nun nach Kallaste, zu den roten Felsen. Am Strand erwarten uns erst einmal wieder Treppenstufen, und die sind leider ziemlich morsch. Vorsichtig jede Stufe überprüfend steigen wir die Treppe hoch auf die Düne. Dann geht es auf der anderen Seite durch Brennnesseln und Gestrüpp wieder runter und wir stehen an den ersten roten Sandsteinfelsen mit kleinen Höhlen. Wir laufen weiter am Strand entlang, müssen dabei aber teils durch dickes Schilfs Dickicht, dann erreichen wir die nächsten Sandhöhlen. Nett anzuschauen, viel interessanter aber ist der Blick über den See. Denn eigentlich fühlt man sich wie am Meer, es ist weit und breit kein Land in Sicht, diese Größe ist unglaublich. Zurück am Womo geht es nun weiter zum Schloß Alatskivi. Eigentlich handelt es sich um ein Herrenhaus, aber es ist prachtvoll eingerichtet und auch von aussen sieht es eher aus wie ein Schlößchen. Leider können wir es nicht besichtigen, es öffnet erst wieder übermorgen, doch von draussen machen wir einige schöne Bilder. Dann ziehen wir unsere Wandersachen an, denn es gibt hier einen schönen Rundweg um den See, knapp fünf Kilometer, denn wollen wir jetzt laufen. Der Weg ist schön, es geht durch den Wald, mit Blick auf den kleinen See mit seinen vielen Schilfinseln. Zwischendurch müssen wir wieder mal klettern, da auch hier Bäume über dem Weg liegen. Dann kommen wir an einem umgestürzten Baum vorbei, aus dem einige Scheiben geschnitten sind. Man sieht, dass der Baum von innen hohl ist, dazu stehen zwei Warnschilder mit dem Hinweis: Achtung Honigbienen. Also scheinbar gab es im hohlen Stamm ein Nest, das beim Fällen des Baumes entdeckt wurde. Jetzt sind aber keine Bienen mehr zu entdecken, kein Wunder, wird es doch nachts fast frostig. Kurze Zeit später sind wir wieder am Womo, weiter geht es nun nach Nina zu dem Leuchtturm. Der ist jedoch eingerüstet und keine Augenweide, aber wir machen ein Photo der daneben stehenden “Kirche der Gottesmutter“ der Altgläubigen, einer estnisch-orthodoxen Kirche. Dann fahren wir weiter ins Zwiebeldorf Kolkja. Wie fast alles montags und dienstags hier hat das Museum der Altgläubigen heute geschlossen. Wir fahren weiter zu einem Zwiebelrestaurant, das auf der Seite von „Visit Estonia“ empfohlen wird. Optisch keine Augenweide, aber dafür werden wir vom Essen um so mehr überrascht. Wir bestellen uns als Vorspeisen Zwiebelsuppe bzw. Zwiebelsalat, danach nimmt Peter Fisch-Pelmeni (die russische Form von Piroggen) und ich einen Pfannkuchen gefüllt mit Zander. Das Essen ist heiss (wichtig!) und sehr lecker! Satt und zufrieden machen wir uns nun auf den Weg nach Tartu. Peter hat dort mitten im Zentrum einen Parkplatz gefunden, der pro 24 Stunden fünf Euro kostet. Wenn man bedenkt, dass hier sogar die Parkplätze der Supermärkte kostenpflichtig sind, ist das ein Schnäppchen. Es ist noch halbwegs früh und die Sonne lacht, also laufen wir erst einmal ins Städtchen. Die Aussichtsplattform der Johanniskirche hat heute geschlossen, daher laufen wir zum Einkaufszentrums Tasku, dort soll es auch eine Aussichtsplattform geben. Bei Interesse soll man sich an der Information melden. Das Einkaufszentrum entpuppt sich als himmelhohes Bürogebäude, in dessen unteren beiden Etagen sich verschiedenste Geschäfte befinden, die restlichen Etagen sind Büroräume. Drinnen stehen zwar keinerlei Schilder, aber wir fragen einfach mal an der Info. Und ja, für zwei Euro pro Person kann man auf die Plattform im 14 Stock. Allerdings muss die Dame der Info uns persönlich aufs Dach begleiten. Wir zahlen unseren Obulus, sie schliesst den Info Schalter und geht mit uns zu den Aufzügen. Wir fahren bis in den 13. Stock, die letzte Etage muss man laufen. Dann stehen wir vor einer Metalltüre. Sie schliesst uns die Türe auf und erklärt uns, dass wir so lange bleiben können, wie wir möchten. Runter kommen wir dann alleine. Und schwupps ist sie weg und wir stehen in 50 Metern Höhe und haben einen tollen Ausblick. Leider nur über eine Hälfte der Stadt, denn die Plattform ist quasi ein riesiger Balkon. Aber die in Summe vier Euro lohnen sich, so bekommen wir einen ersten Eindruck der Stadt. Die Altstadt sieht auf jeden Fall überschaubar aus, wir sehen die wichtigsten Kirchen, das Rathaus und die Universität von hier oben. Aber nun wollen wir die Altstadt erkunden, also geht es wieder runter. In kurzer Zeit erreichen wir den Rathausplatz mit dem bekannten Brunnen „Küssende Studenten“. Und ja, Tartu ist definitiv eine Studentenstadt, und die Universität dominiert das Leben hier. Ausserdem ist Tartu die Europäische Kulturhauptstadt 2024, und es sind wirklich überall Skulpturen zu entdecken. Ok, manche fallen in die Kategorie: Ist das Kunst oder kann das weg? Aber etliche sind auch wirklich schön, wie zum Beispiel die „küssenden Studenten“. Wir laufen kreuz und quer durch die Stadt, und scheinbar besteht Tartu nur aus einer sehr hübschen aber kleinen Altstadt, und aus einem halbem dutzend riesiger Einkaufszentren. Wir laufen über die Brücke Karsild, die über den Fluß Emajõgi führt. Die ursprüngliche Steinbrücke wurde im zweiten Weltkrieg gesprengt, danach wurden die Menschen dann mit Ruderbooten über den Fluß gebracht. Erst 1957 wurde auf den alten Fundamenten die neue Brücke gebaut. Abends ist die Brücke erleuchtet, als wir vorbei gehen in den Nationalfarben der Ukraine. Die Unterstützung der Ukraine (zumindest moralisch) sehen wir im Baltikum immer wieder. Als wir erneut am Rathausplatz vorbeikommen beginnt gerade das Glockenspiel, wunderschön! Wir haben viel Spaß und der Nachmittag und Abend vergehen wie im Flug. Bei unserem Rundgang kommen wir an der Universität vorbei, ein wunderschönes Gebäude. Und wir nutzen das direkt um mal kurz „Kaffee wegzubringen“. Erst weit nach Anbruch der Dunkelheit sind wir zurück am Womo. Morgen wollen wir weiter die Stadt erkunden, als erstes geht es auf den Markt, der sich direkt neben unserem Parkplatz befindet, danach wollen wir in den botanischen Garten. Und dann? Wir werden sehen…