Die Nacht ist halbwegs ruhig, aber bereits am frühen Morgen weckt uns der Lärm der Stadt, wie Müllabfuhr, Busse und jede Menge PKW. Aber kein Problem, wir wollen ja eh weiter, heute geht es nach Vilnius. Peter hat gestern Abend bereits den Wassertank gefüllt, also sind wir heute früh schnell abfahrbereit. Während ich unsere Trinkflaschen fertig mache für die Fahrt, macht Peter den üblichen Kontrollgang ums Womo rum, also ob die Reifen noch in Ordnung sind, die Fahrräder noch fest geschnallt sind oder sonst etwas eventuell nicht in Ordnung ist. Dann geht es im strömenden Regen los, die Fahrt ist anfangs relativ unspektakulär. Kurz hinter Daugavpils erreichen wir die Grenze, nun sind wir wieder in Litauen. Wir sind auf der Autobahn A6 unterwegs, denn in Litauen gibt es – im Gegensatz zu Lettland und Estland – auch wieder Autobahnen. Eigentlich führt der Weg über Utena, dort sollen wir auf die A 14 wechseln. Doch auf Grund mehrerer Staus routet uns Google Maps um, um wenigstens einen Teil des Staus zu umfahren - und eh wir uns versehen sind wir wieder auf einer Sandpiste. Eigentlich kein Problem, denn die Landstrasse 111 ist eine „ganz normale“ Überlandstrasse hier in Litauen, mit großen Kreuzungen, Schildern und allem. Durch den Regen hat sich der Sand aber wieder mal in Schmierseife verwandelt, und es lässt sich gar nicht gut fahren. Tatzel ist komplett eingeschlammt, der Matsch ist bis zu den Türgriffen gespritzt. Dann ist die Strasse endlich wieder asphaltiert und wir erreichen nun die A14, allerdings mitten in einer Baustelle. Der Verkehr hier in der Baustelle verläuft einspurig, und wir haben keine Ahnung, in welcher Richtung die Autos gleich grün bekommen. Hier stehen zwar ein paar Bauarbeiter aber die interessieren sich auch nicht für unser Dilemma. Peter biegt gnadenlos nach links ab und zieht durch, und wir haben Glück. Nach einem knappen Kilometer erreichen wir ein kurzes Stück das zweispurig ist, und da kommen uns dann auch LKW entgegen. Nun kämpfen wir uns die letzten Kilometer durch die lange Baustelle mit ewig langen Ampelphasen, aber dafür ist die neue Strasse auch ein Sahnestück. Und gleich lernen wir, wie die alte Strasse war: Schlaglöcher so tief, dass man Autos drin versenken kann, Spurrillen, bei denen man selbst mit dem Ranger Angst bekommt, aufzusetzen. Aber gut, wir haben ja zum Glück eine Luftfederung. Bereits gegen 13 Uhr erreichen wir Vilnius, und wir haben vorab wieder einen Parkplatz gesucht, auf dem wir auch übernachten könnten. Hier in Vilnius sind auch wieder fast alle Parkplätz kostenpflichtig, selbst bei Lidl und Co. Aber der hier – gut 2,5 Kilometer entfernt der Altstadt, ist tatsächlich kostenfrei und ein schöner Spot um über Nacht zu stehen. Es schüttet immer noch, also machen wir erst einmal Brotzeit. Aber wir wollen ja nicht den ganzen Tag vertrödeln, also schnappen wir uns Regenschirme und machen uns auf den Weg in die Stadt. Direkt gegenüber vom Parkplatz ist der Weg in die Altstadt ausgeschildert, und wir erreichen recht schnell eines der berühmtesten Bauwerke Vilnius, nämlich die römisch-katholische Annenkirche, hinter der unmittelbar die Kirche des Hl. Franziskus von Assisi und Hl. Bernhard steht. Die Kirche ist von aussen wirklich wunderschön und wirkt sehr filigran, wir waren jedoch nicht drin. Weiter geht es nun vorbei am Gediminas Hügel mit dem gleichnamigen Turm, und wir erreichen das Großfürstliche Schloss mit dem Nationalmuseum. Was für ein riesiger Bau! Direkt anschließend befindet sich die Kathedrale St. Stanislaus mit dem separat stehenden Glockenturm. Wir sind ja keine Kirchgänger, aber diese Kathedrale im Rang einer Basilika müssen selbst wir uns anschauen. Die dreischiffige Kathedrale ist riesig, und an die Seitenschiffe sind nochmals Kapellen angebaut, insgesamt gibt es in dieser Kathedrale elf Kapellen, so etwas haben wir auch noch nie gesehen. Direkt vor der Kathedrale befindet sich eine Steinplatte mit der Inschrift Stebuklas (Wunder), dort war der Ausgangspunkt einer mehr als 600 Kilometer langen Menschenkette zwischen Vilnius und Riga. Knapp 2 Millionen Letten, Litauer und Esten bildeten 1989 den „Baltischen Weg“ und demonstrierten für eine Unabhängigkeit der drei baltischen Staaten von Russland. Und wie man ja sieht, war diese Demonstration letztendlich erfolgreich! Der Regen pausiert gerade mal, und wir laufen nun zur Standseilbahn, die uns auf den Gediminas Hügel bringt. Auf den Turm selbst kann man nur im Rahmen einer Museumsbesichtigung, aber uns reicht der Ausblick vom Berg über die Stadt. Das Stadtbild wird eindeutig von Kirchen geprägt- so weit das Auge reicht, und egal in welche Richtung man schaut: Kirchen, Kirchen und Kirchen. Wir lesen später, dass es allein im Bereich der Altstadt mehr als 50 Kirchen gibt, und zwar sowohl katholisch, evangelisch, orthodox als auch Jesuiten, von allem etwas, mit Abstand am prunkvollsten sind aber sicherlich die russisch-orthodoxen Kirchen. Nun geht es wieder runter und wir machen uns auf den Weg in die Altstadt. Und tatsächlich, egal wo man hinschaut, man sieht (mindestens) eine Kirche. Wir laufen bis zum Rathausplatz, dort machen wir natürlich auch noch das ein oder andere Photo. Dann laufen wir weiter die Gassen rauf und runter und in die ein oder andere Kirche schauen wir auch rein. Photos darf man meist nicht machen, aber das ist in Ordnung, denn in erster Linie handelt es sich nun einmal um Gotteshäuser. Für uns ist eine der schönsten die russisch-orthodoxe Heilig-Geist-Kirche. Aber es gibt nicht nur Kirchen in Vilnius, sondern auch jede Menge Stadttore. Das Bekannteste ist das Tor der Morgenröte, das sowohl Stadttor als auch zugleich Kapelle und ein Wallfahrtsort für Katholiken, Orthodoxe und griechisch-katholische Christen ist. Nun gehen wir wieder zurück zum Rathausplatz, und so langsam werden wir fusslahm, Unsere Liste mit den Sehenswürdigkeiten haben wir quasi „abgearbeitet“, und wir haben auch ein paar kleine Souvenirs für unsere „Hausbetreuer“ erstanden, die uns einen so langen Urlaub erst ermöglicht haben. So langsam geht unsere Reise dem Ende zu, und daher wollen wir heute noch einmal lecker Essen gehen zum Abschied vom Baltikum. Aber alle Restaurants sind unheimlich teuer, und gerade als wir zurück zum Womo wollen, entdecken wir ein kleines Restaurant mit „Local Food“, also einheimischen Essen. Und das Lokal ist perfekt – das Essen ist richtig lecker, als Vorspeise habe ich eine klassische Rote-Beete Suppe und Peter eine Wildpilzsuppe im Brotlaib. Als Hauptgericht bestelle ich Zeppeline (Gefüllte Kartoffelklöße) mit saurer Sahne und einer Speck-Zwiebelschmelze, und Peter nimmt die Blutwurst, ebenfalls mit saurer Sahne und der Speck-Zwiebelschmelze. Das ganze dann noch für einen wirklich guten Preis! Satt und zufrieden machen wir uns auf den Rückweg, der nochmal spannend ist. Denn der Weg zurück zum Parkplatz führt von hier durch den Wald und es ist mittlerweile stockfinster. Ausserdem funktioniert hier wieder unser GPS nur eingeschränkt, so dass wir zwischendurch immer mal wieder ein wenig in die Irre laufen. Aber Dank der exzellenten Orientierung meines Mannes, der Handy Taschenlampen und guter Zusammenarbeit erreichen wir dann doch noch unser Womo. Als erstes rufen wir Mama an und geben einen kurzen telefonischen Bericht ab, bevor ich mich an die Tastatur setze. Zu planen ist nicht mehr viel, morgen geht es zur Burg Trakai -und dann langsam aber sicher zurück.