Also die Abdunklung der USB-Steckdosen funktioniert wunderbar - die erste Nacht ohne Discobeleuchtung. Der Start in den Tag verläuft langsam, denn wir sind auch wieder erst deutlich nach Mitternacht ins Bett gegangen. Daran ist Mama nicht ganz unschuldig, denn sie hat uns mit vielen und schönen Kreuzworträtselheften versorgt. Und immer, wenn wir dachten – es wird Zeit fürs Bett – haben wir uns überlegt: Na, ein Rätsel geht noch… und flugs ist die halbe Nacht rum. Nach dem (späten) Frühstück entscheiden wir uns, die Räder zu nehmen und nach Hammerhavn zu fahren. Dort starten Bootstouren an der Küste entlang. Es gibt eine Standard-Rundfahrt (40 min) und eine Große Rundfahrt mit 60 min. Wir buchen noch nichts, denn erst mal schauen, ob wir mit den Rädern bis dahin kommen. Laut Google Maps ist die Strecke extrem steil, und wir wissen nicht, was Peters Knie sagt bzw. ob meine mangelnde Kondition uns einen Strich durch die Rechnung macht. Wir nehmen beide Rucksäcke mit, genug zu trinken, ein bisschen Knäckebrot und Salamis, mehr brauchen wir nicht. Los geht es – erst einmal auf der Hauptstrasse bis zum Ortsausgang. Dann ist auch schon der Radweg ausgeschildert. Es geht gut los – 17 % Gefälle. Aber bekannterweise kommt nach steil runter auch steil rauf. Erst einmal fahren wir ein Stück direkt neben dem Strand lang und haben einen tollen Blick aufs Wasser. Dann kommt wie erwartet ein sehr steiles Stück bergauf. Und so geht es weiter – rauf und runter – und nie einfach mal ein bisschen Steigung und Gefälle. Nein, immer direkt mehr als 10 % - das heisst also schieben bzw. Bremsen. Landschaftlich ist der Weg allerdings sehr schön, abseits der Hauptstrassen und oft im Wald. Dann erreichen wir endlich Hammershus. Die Festung steht zwar auch noch auf unser To Do Liste, aber nicht heute. Wir fahren noch ca. 3 km weiter bis nach Hammerhavn. Der Hafen ist überschaubar, es gibt ein kleines Café und zwei Verkaufsstände für Bootstouren. Peter hat vorab schon mal recherchiert, daher wissen wir, dass die Online Tickets ca. 1,5 € günstiger sind als wenn wir vor Ort buchen. Ja, ist nicht viel, aber auch Kleinvieh macht Mist, wie es so schön heisst. Mittlerweile ist es kurz nach 2 Uhr mittags, und um 14.30 Uhr soll die nächste Tour starten. Peter bucht schnell 2 Tickets für uns online, allerdings muss er die Tickets trotzdem noch am Ticketschalter im Hafen vorzeigen. Die Dame dort sagt uns, dass wir kurz vor Abfahrt am Schiff sein sollen, das noch im Hafenbecken liegt. Wir nutzen die verbleibende Zeit für ein paar Photos der Festung, die wir teilweise sehen können. Um 14.30 Uhr kommt die Dame vom Ticketverkauf noch mal kurz angeflitzt und bittet uns, schon mal an Bord zu gehen, der Kapitän würde sich leider einige Minuten verspäten. Ausserdem hätten wir eine Privattour, ausser uns hat keiner ein Ticket gebucht. Das sind ja tolle Aussichten! Wir hatten allerdings vermutet, dass die Fahrt dann ausfällt – nur zwei Passagiere statt 12, das kann sich ja eigentlich nicht lohnen. Also besteigen wir schon mal das recht neu aussehende Elektroboot. Das Boot sieht edel aus, rundherum befinden sich dick gepolsterte Sitzbänke, ein schicker Boden, ein großer Tisch mit Getränkehaltern. Alles sehr luxuriös. Nach wenigen Minuten kommt ein gut gelaunter Kapitän an Deck geklettert. Er entschuldigt sich, er hat erst spät erfahren, dass die Tour stattfindet – da er aber heute noch nicht gefahren ist, freut er sich auf eine sonnige Fahrt. Er spricht exzellent englisch, und erzählt uns erst einmal, dass der Hafen ursprünglich zum Transport des hier abgebauten Granits diente. Es handelte sich dabei um eine deutsche Firma, die den Granit nach Kiel verschiffte. Später gab es zwischen diesem Hafen und Sassnitz eine Fährverbindung, allerdings war das Anfang des 20. Jahrhunderts, ist also schon eine Weile her. Die Tour führt vorbei an Hammershus und wir haben einen sensationellen Blick auf die Ruine. Weiter geht es zu den Granitfelsen, die angeblich so aussehen wie ein Kamel, ein Löwenkopf oder ein Bär. Nun erreichen wir den Vogelfelsen - wir haben Glück und sehen eine kleine Alk-Kolonie am Felsen und anschliessend auch eine Gruppe auf dem Meer schwimmender Alks. Das sind Brutvögel, die lange Zeit verschwunden waren und erst seit Ende der 90er Jahre zurück auf der Insel sind. Die Vögel sehen auf den ersten Blick aus wie kleine Pinguine und sind wirklich hübsch anzusehen. Dann geht es langsam wieder zurück. Aber ein großes Highlight steht uns noch bevor – die Fahrt in den „nassen Ofen“. Dabei handelt es sich um eine schmale Grotte, und es passt keine Handbreit mehr zwischen Bordwand und Felsen, unglaublich wie weit unser Kapitän in der Düsternis und Enge das Boot manövriert. Dann ist die Stunde fast rum, und es geht langsam zurück zum Hafen. Eigentlich wollten wir wieder zurück, aber wir bekommen den Tip, noch zum Leuchtturm Hammeren Fyr zu radeln. Der ist nicht weit weg, knapp 3 km. Der Weg führt am Hammersø entlang, danach geht es dann den letzten Kilometer einfach nur steil bergauf. Wir steigen ab und schieben. Während wir uns den Berg hochkämpfen, überholt uns ein Trupp Polizisten auf e-Bikes. Ja, so geht es natürlich schneller! Wir schieben weiter und erreichen dann auch irgendwann den Leuchtturm. Neben den Fahrradpolizisten stehen auch vier Polizeimotorräder und ein ziviler Wagen der Polizei dort. Die Polizisten wurden vermutlich extra für das große Festival aus anderen Bezirken Dänemarks angefordert. Auf jeden Fall stehen sie zusammen oben auf dem Leuchtturm und machen eifrig Photos wie alle Touristen. Die zwei Polizisten, die mit dem Auto da sind, führen gerade eine Luftüberwachung des Festivals durchs mittels zweier Drohnen. Die Polizeipräsenz gerade ist auffallend groß, allerdings wirkt alles ruhig und friedlich. Auch bei uns auf dem Campingplatz und das große Zeltlager gegenüber der Ruine Hammershus wirken eher wie eine Jugendfreizeit. Die Polizisten mit den Motorrädern und Fahrrädern machen sich wieder auf den Weg, und wir klettern auf den Leuchtturm. Der Blick ist wirklich spektakulär und wir machen noch ein paar Photos. Anschliessend folgt noch ein kurzer Schwatz mit den dänischen Polizisten, wovon einer fast akzentfrei deutsch spricht. Bevor wir den Rückweg antreten, klettern wir noch kurz auf die Felsen, denn angeblich soll man von hier oben nicht nur den Hammersø sondern auch den deutlich kleineren Opalsø sehen. Aber scheinbar klappt das nur im Herbst – wir sehen nur Bäume, wohin wir auch schauen. Wir trinken noch etwas, und dann starten wir den Rückweg oder Teil 2 unsere Berg- und Talfahrt. 15 km, wovon die letzten 10 km human sein sollen, aber die ersten 5 km wieder nur ein auf und ab. Und so ist es auch – rauf und runter, schieben und bremsen, aber dann erreichen wir die Hauptstraße, und nun rollt es wirklich gut. Natürlich ist der schmale Radweg direkt an der Landstrasse nicht so idyllisch, aber dafür wechseln sich Steigungen und Gefälle immer ab, so dass wir mit dem Schwung jedes Mal unproblematisch die nächste Steigung erklimmen. Unerwartet zügig erreichen wir dann doch wieder Hasle und den Campingplatz. Als erstes mach ich uns einen Kaffee, dann heisst es duschen und Brotzeit machen. Nach dem Abendessen schnappe ich mir den Rechner, heute gibt es ja tatsächlich einiges zu berichten. Morgen wird sicherlich ruhiger.
eowynrohan am 16. Juni 2023