Samstag, 11. Juni 2022
Die Nacht über regnet es weiter, aber am Morgen begrüßt uns Sonnenschein. Was für ein Glück. Heute haben wir nur eine kurze Etappe vor uns, es geht zum Dovrefjell Nationalpark, knapp 30 km Fahrweg. Dort gibt es noch wilde Moschusochsen. man kann eine geführte Tour machen (pro Kopf ca. 60 ?, 8 Stunden, 15 km Klettersteig), alternativ kann man auf gut Glück so laufen in der Hoffnung, welche zu sehen. Anhand unseres Kartenmaterials entscheiden wir uns, als erstes zum Touristcenter in Kongsvold Fjeldstue zu fahren, dem Ort an dem früher auf dem Königsweg zwischen Oslo und Trondheim die Pferde gewechselt wurden. Dort wollen wir uns über mögliche Trails und grundsätzlich über den Nationalpark informieren. Aber wie so oft sind wir viel zu früh, also nicht von der Uhrzeit sondern vom Datum. Die Touristinfo öffnet erst in 14 Tagen. Diese Info erhalten wir von einer netten Dame aus dem Hotel, das sich direkt neben der Touristinfo befindet. Sie empfiehlt uns, einfach hier zu parken und eine der ausgeschilderten Routen zu laufen, denn die nächste Touristinfo ist mindestens 30 min Fahrzeit entfernt. Weiterhin warnt sie uns, dass zu Beginn des einen Wanderwegs ein Moschusochse gesichtet wurde, der sehr aggressiv ist, grundsätzlich empfehlen alle Warnschilder, mindestens zweihundert Meter Abstand zu Moschusochsen zu halten. Gesagt ? getan. Wenige Meter weiter können wir recht gut parken, und es starten direkt am Parkplatz zwei Wanderrouten. Daher packen wir schnell den Rucksack, wechseln die Schuhe und los geht es. Ich bin am Anfang noch naiv und denke dass wir in ein oder zwei Stunden zurück sind. Aber der Weg führt steil ins Hochgebirge, wir müssen zweimal durch Schneefelder, und wie immer sind Teile der Route durch die Schneeschmelze überflutet. Wir marschieren immer weiter, und während der ganzen Zeit begegnen uns nur drei andere Paare beim wandern, es ist einfach herrlich abgeschieden. Die Hochebene ist gigantisch, natürlich sehen wir keinen Moschusochsen. Aber ganz ehrlich, bei der Weite könnten hier hundert Tiere liegen und wir würden es wahrscheinlich nicht sehen. Die Dimensionen der Landschaft sind einfach unglaublich. Zur Not könnten wir ja noch eine geführte Tour machen, aber eigentlich ist uns die Einsamkeit lieber als ein tolles Photo. Zumal unserer Handys bei 200 m Distanz eh kein scharfes Bild hinbekommen. Nach guten dreieinhalbt Stunden machen wir ein kurzes Päuschen, essen eine Banane machen uns auf den Rückweg. Zurück kommen wir deutlich schneller voran, allerdings halten wir auch nicht mehr die ganze Zeit Ausschau nach Tieren. Kurz vorm Ende des Trails kommen wir wieder an der Stelle vorbei, wo ein Moschusochse sein soll. Und tatsächlich sehen wir in gut 250 m Entfernung einen riesigen Fellhaufen, der plötzlich aufsteht und anfängt sich an einer Birke zu schubbern. Was für ein gigantisches Tier. Ausser uns sind mittlerweile noch mehr Wanderer aufgetaucht, die versuchen Photos zu machen. Aber aus der Distanz haben wir keine Chance. Dann kommt ein Paar mit Kameras und Objektiven die sicherlich 40 cm lang sind, die können bestimmt tolle Bilder machen. Aber das sind auch Profi-Ausrüstungen. Wir geniessen einfach den Anblick des Giganten, und nach einer Weile traben wir zurück zum Womo. Dort koche ich erst mal einen Espresso, denn wir sind ganz schön ko. Das war deutlich anstrengender als gedacht, wir sind auf weit über 1.000 m gekraxelt. Peter entdeckt auf Google Maps in gut 3 km Entfernung einen Parkplatz, mal schaun ob der was für heute Nacht ist. Wenige Minuten später kommen wir an, und der Platz ist wirklich nett. Es stehen schon 3 Wohnmobile dort, aber die Fläche ist wirklich riesig. Wir stellen uns dazu und es werden sicherlich noch mehr Fahrzeuge bis zum Abend dazukommen. Gegenüber ist ein Hügel, den erklimmen wir noch schnell und machen noch ein paar schöne Photos von unserem Wohnmobil. Dann geht es zurück, Essenszeit! Da der Himmel droht und es bereits tröpfelt, werfe ich die Nackensteaks wieder in die Pfanne, dazu gibt es den restlichen Salat vom Vortag und Brot. Und zum trinken machen wir uns einen leckereren Weisswein auf. Mutter hat uns zu Weihnachten zwei ihrer Bleikristall-Römer vermacht, die kommen jetzt endlich mal zur Geltung. Da von diesem Parkplatz aus wieder diverse Wanderwege starten, ist der Plan für morgen klar ? es geht wieder ins Hochland. Nach dem Essen schnappe ich mir schnell den Rechner und tipper eine Runde. Danach will ich noch Brote für die Tour morgen schmieren. Und vermutlich werden wir danach sehr schnell im Bett verschwinden. So müde war ich schon lange nicht mehr.



Samstag, 11. Juni 2022
Kurz vor 6 Uhr legt die erste Fähre an und weckt uns. Also eigentlich nicht die Fähre, denn die ist ja wirklich superleise. Aber die runterfahrenden Autos machen spektakel. Da wir jedoch gestern noch geduscht und Route geplant haben, sind wir erst deutlich nach 1 Uhr ins Bett gegangen. Daher drehen wir uns nochmal rum, ignorieren den Lärm und schlafen noch mal gute zwei Stunden weiter. Gegen 8 Uhr pulen wir uns aus dem Bett, ein schnelles Frühstück und weiter geht es. Das erste Ziel des Tages ist die sogenannte Atlantikstrasse. Wie immer vermeiden wir die großen Überlandstrassen, daher starten wir auf der 710 und es geht die ganze Zeit am Trondheimfjord entlang. Das Wetter ist gut, wir haben kurzzeitig satte 17°, aber wirklich nur kurz, dann fällt das Thermometer auf die beständigen 11° - 12° zurück. Die Landschaft ist unglaublich, und wir cruisen gemütlich durch die Gegend. Ab Orkanger müssen wir dann mal auf die E39, da gibt es keine Alternativen. Später biegen wir auf die 680 ab, dann führt die Route am Rovatnet entlang. Ab Gammellǻven fahren wir am Trondheimleia lang, einer Meerenge im Bereich Møre og Romsdal und Trøndelag. Ungezählte Kurven, Tunnel und Brücken später erreichen wir Tømmervǻg. Dort geht es auf die Fähre nach Seivika. Wieder eine Elektrofähre ? das heisst wir gleiten wieder quasi lautlos durchs Wasser. Ausser uns sind noch zwei weitere Wohnmobile auf der Fähre, eines davon so ein riesiger Marelo ? oder wie wir sagen: 3 Zimmer Küche Diele Bad Balkon. Die Dame des Hauses diskutiert gerade recht lautstark mit ihrem Gatten, dass sie jetzt unbedingt mal ein Hotel braucht, denn Ihre Fingernägel wären ja schon ganz ramponiert und würden dringend Pflege bedürfen. Ok, meine Fingernägel würden jetzt auch keinen Blumentopf gewinnen, aber wir touren gerade durch Norwegen, wir campen! Zum Glück liebt mich mein Mann in pur - so wie ich bin. Und auch mal mit nem Fleck auf der Hose, solange ich dafür jeden Blödsinn mitmache und auf jeden Berg mit kraxel so weit ich komme. Aber genug gelästert - das gibt schlechtes Karma. Runter von der Fähre und weiter geht es nach Kristiansund. Dort halten wir als erstes bei der Esso um zu dumpen. Das Duschen gestern hat doch gut 15 l Wasser verbraucht die wir als Grauwasser ablassen und als Frischwasser nachtanken. Dann erreichen wir die Atlantikstrasse. Dieses knapp 10 km lange Stück Strasse führt über 8 Brücken und diverse kleine Inseln und gehört zu den absoluten Touristenhighlights. Es gibt alle paar hundert Meter Parkplätze, so kann man jederzeit einen Photostop einlegen. Wir halten einfach mal überall. Und treffen lustigerweise - und mittlerweile zum drittenmal auf unserer Tour - einen Norweger der auch gerade mit seiner VW Caravelle durch die Gegend tourt. Die Aussicht ist zu beiden Seiten toll, allerdings kann ich natürlich nur rechts aus dem Fenster photographieren. Also wendet Peter kurzerhand in Vevang, und fährt den ganzen Spaß zurück, so sieht man die Strasse aus einem ganz anderen Blickwinkel. Da wir aber weiter in den Osten wollen, müssen wir nun tatsächlich die Straße ein drittes Mal fahren, damit wir am Kvernesfjorden entlang zum Tingfjorden kommen, und dann weiter Richtung der Nationalparks. Es ist mittlerweile spät geworden, und wir fangen an uns einen Stellplatz für die Nacht zu suchen. Während wir an der Driva entlangfahren, und die Stromschnellen bewundern, sehen wir einen kleinen Abzweig zum Wasser runter. Na vielleicht finden wir ja da was. Peter wendet und zirkelt den schmalen Weg runter. Dann sehen wir eine kleine Schotterfläche. Ob das der Parkplatz ist? Naja, vielleicht kommt ja noch etwas besseres zum parken. Wir fahren weiter, die Straße ist nur unwesentlich breiter als Tatzel. Am Anfang kommen noch zwei kleine Ausweichbuchten. Und dann, als natürlich weit und breit keine Ausweichmöglichkeit da ist, dann kommt ein Audi entgegen. Tja, irgendjemand muss jetzt rückwärtsfahren Und wir sind es in diesem Fall nicht. Der Audi Fahrer schaut zwar leicht genervt, aber dann legt er den Rückwärtsgang ein, zirkelt geschätzt einen Kilometer rückwärts bis wir eine Stelle erreichen an der wir gerade so aneinader vorbei passen. Wir fahren noch ungefähr 2 km weiter, dann geben wir auf, wenden und fahren zurück. Plötzlich fällt Peter ein, dass wir ja bei Nortrip registriert sind. Das ist so etwas wie Landvergnügen in Norwegen. Man zahlt einmalig eine Jahresgebühr, dafür darf man bei allen teilnehmenden Landwirtschaftlichen Betrieben eine Nacht umsonst stehen. Und wir haben Glück, genau auf unserer Route in 55 km Entfernung ist ein Bauernhof der 4 Stellplätze anbietet. Wir melden uns telephonisch kurz an, und eine Stunde später stehen wir auf einem geschotterten Platz hinter dem Bauernhaus. Auf Wunsch können wir sogar Strom und Wasser bekommen, ausserdem steht ein Dixie-Klo zur Verfügung. Aber wir sind es ja gewohnt autark zu stehen, uns reicht der Schotterplatz. Eigentlich wollen wir noch grillen, aber kurz nach unserer Ankunft öffnen sich die Schleusen und es schüttet und hagelt. Also kommen die Nackensteaks in die Pfanne. Dazu gönnen wir uns einen Flasche Sekt, heute ist mein 52. Geburtstags. Tja, wie die Zeit vergeht. Morgen geht es dann zur Touristinfo im Dovrefjell Nationalpark, die nächsten Tage wollen wir wandern. Hoffentlich beruhigt sich das Wetter wieder.



Freitag, 10. Juni 2022
Die Nacht ist ruhig, der Sturm lässt langsam nach. Da wir ja bereits laut unserer ursprünglichen Planung einen guten Tag Verzug haben, wollen wir heute ein bisschen Strecke machen. Mal schauen ob uns das gelingt. Theoretisch war der Plan, an einem Tag von Leka bis Kristiansund zu fahren. Aber nachdem wir nun seit 14 Tagen unterwegs sind, ist eines klar - das ist nicht zu schaffen. Also fahren wir soweit wir kommen und Lust haben. Als erstes müssen wir wieder aufs Festland. In Skei müssen wir eine knappe halbe Stunde warten bis die Fähre kommt. Wir nutzen die Zeit und unterhalten uns mit einer jungen Französin, die wir kurz vor der Fähre überholt haben. Sie und ihr Mann sowie die beiden kleinen Töchter (geschätzt 5 und 7 Jahre alt?) sind mit den Fahrrädern von Paris zum Nordkap gefahren, und sind jetzt auf den Rückweg nach Hause da die Tochter bald in die Schule kommt. Mit dem Fahrrad ans Nordkap - echt jetzt? Wobei, wir haben unterwegs jetzt wirklich viele viele Radler getroffen die genau diese Tour machen, aber doch nicht mit zwei kleinen Kindern - ich bzw. wir sind voller Respekt für so ein Abenteuer. Wobei die das alles ganz locker nehmen, sie haben für die Tour schon mal ein paar Wochen in Frankreich geprobt, dann haben sie ihren Bruder in Pinneberg mit den Fahrrädern besucht und dann war klar, das klappt auch bis zum Nordkap. Die Fahrräder sind Sonderumbauten, jeder der beiden hat vorne ein Kind in einem richtigen Sitz (kein Sattel). Und derjenige der vorne sitzt kann, muss aber nicht mit treten. Ursprünglich wurden diese Fahrräder für Menschen mit Handikap und ihre Angehörigen entwickelt. Wirklich eine coole Sache, aber ehrlich gesagt sind wir nicht so die Radler? Die Fähre kommt und wir dürfen wieder in die Mitte und nach vorne durchfahren. das ist prima, heisst es doch dass wir auch als erstes von der Fähre runterkommen. Oh, da war ja noch was ? diese ellenlange furchtbare Baustelle. Da wir erste sind, bummelt wenigstens keiner vor uns rum. Peter hängt mit Tatzel sogar die PKW?s hinter uns ab. Immer wieder müssen wir auf Schritttempo drosseln, dann rumpumpelt es durch, zwischen und über riesige Schlaglöcher. Soweit so gut, das hätte ich auch alles geschafft. Aber dann wird es mehrmals wirklich haarig, denn alle paar Kilometer blockieren Bagger den Weg. Die stoppen dann zwar nach 5- 10 min ihre Arbeit (länger mussten wir nur selten warten), aber sie stellen einfach nur das Führerhaus gerade und dann kann man sehen wie man dran vorbeikommt. Ich kritisiere meinen Mann wirklich oft für seinen Fahrstil bzw. sein Verhalten beim Autofahren, denn er schimpft immer wie ein Rohrspatz und betitelt andere Verkehrsteilnehmer nicht gerade mit Kosenamen. Aber wenn es eng wird ist er in seinem Element. Während ich die Luft anhalte um das Womo schmaler zu machen, zirkelt er entspannt mit einem Reifen schon in der Rabatte und nicht mal einer Handbreit Luft zum Bagger (oder einem Felsen) an jedem Hindernis vorbei. Scheinbar geht es auch den anderen wie mir, denn jedes Mal wenn so eine Aktion ist dauert es gefühlt eine Ewigkeit, bis hinter uns wieder ein Fahrzeug auftaucht. Ich bin froh als wir endlich durch die Baustelle sind. Weiter geht es nun auf der 771, immer dicht an der Küste lang. Wir haben unglaubliches Glück mit dem Wetter, es ist zwar frisch (8°C-12°C), aber wolkenloser Himmel und strahlender Sonnenschein. Die 771 - und später 770 - sind kleine Landstrassen, abseits der großen Überlandrouten. Entsprechend ist kaum etwas los auf den Strassen. Stattdessen müssen wir dauernd auf die Schafe mit ihren Lämmern aufpassen, die sich auf den warmen Asphalt legen und schlafen. Wir machen etliche Stops und geniessen die Landschaft. Dann kommen wir an einer Tankstelle mit einem für hiesige Verhältnisse tollen Preis von ca. 2,16 ?. Eigentlich wollten wir erst in Namsos tanken, aber manchmal muss man gute Gelegenheiten einfach nutzen. Dann erreichen wir den Fähranleger in Hofles, dort wollen wir nach Lund übersetzen. Leider ist die Fähre aber bereits weg, die nächste fährt in knapp 2 Stunden. Ok, also haben wir Zeit. Dann taucht die Gruppe Radler auf, die wir vor 6 km überholt haben, die wollen auch auf die Fähre und kommen gerade vom Nordkap (woher auch sonst). Die nutzen die Zeit und kochen sich auf ihrem Kocher ein schnelles Mittagessen. Und ich nutze die Zeit und siebe mal meine Aioli durch um die Plastikstückchen rauszubekommen. Dann überlegen wir noch wie wir weiter fahren. Wir versuchen immer eine gute Balance zwischen ?einsame Strassen? und ?Strecke machen? zu finden. Dann kommt endlich die Fähre und eine gute halbe Stunde später sind wir in Lund. Wir sind mittlerweile auf der 769 und fahren nach Namsos. Dort fahren wir zur Shell und nutzen die offizielle und wie fast immer kostenlose Dumpingstation. Tanken müssen wir ja nun nicht mehr. Ab jetzt geht es nochmal ein letztes Stück auf den Kystriksveien, dann biegen wir ab auf die 715. So langsam suchen wir nach einem Platz für die Nacht, aber irgendwie finden wir nichts Schönes. Und plötzlich erreichen wir schon Brekstad. Von hier sollte eigentlich die Fähre nach Agdenes gehen, aber komischerweise steht Valset dran. Nach einer Ehrenrunde über den Parkplatz und dank Google sehen wir dann, dass es trotzdem die richtige Fähre ist. Wir nutzen die Chance und rollen noch drauf, und bereits 2 min später legt die Fähre ab. Die Überfahrt ist toll, denn die Fähre ist vollelektrisch unterwegs, und man hört nur das Rauschen der Wellen die an den Bug schlagen. Dazu ist es mittlerweile komplett windstill. So sanft wurden wir noch nie über einen Fjord geschaukelt. In Valset ist direkt ein großer Parkplatz am Kai, für heute reicht es. Wir stellen uns mit Blick aufs Wasser auf den Schotter, Peter baut den Grill auf und ich hole das Fleisch aus dem Kühlschrank. Während wir essen parkt noch ein norwegisches Womo neben uns, denen reicht es wohl auch für heute. Ein weiterer schöner Urlaubstag geht zu Ende. Morgen ist dann die Atlantikstrasse das Ziel, und noch weiter zu den Nationalparks Nähe Dømbas.