Freitag, 6. September 2024
Der Tag startet sonnig, und nach dem frühstück machen wir uns abfahrbereit. Bevor wir zur Wolfschanze fahren, hat Peter jedoch noch einen kleinen Umweg eingeplant, es geht nach Kąty. Hier gibt es einen von fünf sogenannten Rollbergen des Oberländischen Kanals, das sind Trockenschiffshebewerke. Dabei werden Schiffe zur Bewältigung des Höhenunterschieds von 99 Metern auf Schienenwagen über Land transportiert. Eigentlich sind es bis Kąty nur rund 60 Kilometer, aber wir brauchen für die Strecke recht lang, denn die letzten 5 Kilometer haben es in sich. Die Straßen sind schmaler und schlechter als in Schottland, ich hab Angst dass uns der Fahrradträger am Heck abreißt, bei dem Klipperpflaster. Aber dann sind wir endlich da, und der winzige Parkplatz reicht gerade mal noch für uns, denn es steht bereits ein Kastenwagen dort. Aber viel mehr ist auch nicht los, also alles gut. Ich laufe schon mal vor während Peter noch einparkt, und mache erste Photos. Die Schienenwagen sehen aus wie Zug-Fahrgestelle und sind als Standseilbahnen ausgelegt, der Antrieb erfolgt mittels Wasserrädern. Wir haben Glück, am Kanal ist einiges los und wir können mehrere Boote beim Heben und Senken über den Rollberg beobachten. Aber irgendwann wollen wir weiter, auch wenn wir noch ewig zu schauen könnten. Wir haben noch 200 Kilometer vor uns, davon ist aber ein großer Teil Schnellstrasse bzw. Autobahn. Trotzdem weiß man hier nie, wie schnell man voran kommt. Und natürlich müssen wir wieder aufpassen, dass wir unsere Maut App rechtzeitig aktivieren. Scheinbar sollen die Mautpflichtigen Strecken auch noch ausgeweitet werden, Peter entdeckt neue Mautschilder, die jedoch noch weggedreht – also noch nicht gültig sind. Vermutlich liegt das an den noch unfertigen Kamerabrücken. Alles in allem kommen wir aber gut durch und kurz nach 15 Uhr erreichen wir die Wolfsschanze, das ehemalige Führerhauptquartier. Hier befindet sich auch direkt ein Campingplatz, und da es mittlerweile ausserhalb der Saison ist, kommen wir unproblematisch unter. Für den Stellplatz inklusive Strom, Frischwasser, Sanitär mit Dusche & WC und inklusive Eintrittskarten für uns beide zahlen wir weniger als 40 €, das ist vollkommen ok. Da die Eintrittskarten nur heute gültig sind, und die Anlage um 18 Uhr schliesst, machen wir uns direkt auf den Weg, alles zu erkunden. Peter besorgt uns noch für jeweils 2,50 € einen Audio Guide, und es ist die gleiche Technik und sogar der gleiche Sprecher wie gestern in der Marienburg Die Bunkeranlage war riesig und vieles ist mittlerweile zerstört. Aber dennoch bliebt noch mehr als genug zu besichtigen. Die Anlage ist aufwendig hergerichtet, die Wege sind gepflastert und alles ist auch mit Rollstuhl oder Kinderwagen erreichbar. Die Tafeln sind alle viersprachig – polnisch, englisch, deutsch und russisch. Am interessantesten finden wir die Bauweise der Bunker, der Führerbunker zum Beispiel bot bei einer Grundfläche von mehr als 2.500 m² im inneren nur 1.000 m² Grundfläche. Denn das „Gebäude“ wurde quasi in eine Schachtel mit 3 m dicken Betonwänden gesteckt und das ganze wurde dann wieder in eine noch größere Schachtel mit 3 m dicken stahlverstärkten Betonwänden gesteckt. Und zwischen beiden Schachteln gab es eine 80 cm dicke Schicht Kies. Das erklärt, warum trotz der Sprengungen mit ungefähr 8 Tonnen Sprengstoff je Bunker, noch so viel erhalten ist. Es hat zwar teilweise die Decken und Wände zum Einsturz gebracht, aber den Erdboden gleichmachen kann man diese Betongiganten einfach nicht. Neben der Bauweise der Bunker und der Beschreibung des Alltags auf der Wolfsschanze werden natürlich auch das Stauffenberg Attentat und der Warschauer Aufstand thematisiert. Dieses Freilichtmuseum ist gut gemacht – das Thema ist wirklich schwierig aber es gelingt der Spagat, einfach nur zu informieren ohne zu belehren oder zu beschuldigen. Wir schaffen zeitlich eine Punktlandung und geben die Headsets wie gefordert bis 17.50 Uhr wieder zurück. Dann geht es zurück zum Wohnmobil, und wir starten in den Abend. Es gibt Salat und Pizza vom Grill, also ist viel zu tun. Nach knapp zwei Stunden sitzen wir satt vorm Wohnmobil, und es gibt den abendlichen Anruf daheim. Gerade als ich abwaschen will, rufen Michi und Karin an – unsere Terrassentür steht offen, der Rolladen ist zu. Da aber der Schlüssel auf der Terrasentür steckte, vermutet Peter direkt, dass Husejin nur lüften wollte und noch nicht wieder zu gemacht hat. Und eine kurze Rücksprache mit unserem Nachbarn bestätigt das auch, also alles in Ordnung. Aber es ist gut zu wissen, dass aufgepasst wird! Die Mottenplage im Keller hält sich wohl auch in Grenzen, laut Michi schwirrten 3 Motten im Keller rum, langsam scheinen wir die Plage (hoffentlich) in den Griff zu bekommen. Während ich spüle, räumt Peter den Grill weg und macht Ordnung. Dann verziehen wir uns rein, denn draussen kommen jetzt die Mücken. Ausserdem muss ich gleich mal meine Haut absuchen, ich hatte vorhin tatsächlich eine Zecke im Shirt. Zum Glück habe ich es aber gemerkt und konnte sie loswerden, bevor sie mich angeknabbert hat. Morgen wollen wir weiter nach Lötzen an die Masurischen Seen. Wahrscheinlich bleiben wir zwei Tage, mal schauen. Wir werden berichten.



Donnerstag, 5. September 2024
Nach einer ruhigen Nacht bereiten wir unsere Weiterfahrt vor, und während Peter die WC Kassette leert, bringe ich den Müll weg und fülle unsere Trinkflaschen auf. Und das wichtigste: Peters Kaffeebecher bekommt natürlich eine frische Füllung, den Fahrer muss man ja bei Laune halten. Gerade als wir starten wollen kommt das Pärchen aus Nürnberg um sich zu verabschieden. Nach einer knappen Stunde ist es aber dann soweit und wir rollen vom Platz. Peter routet uns schnell aus Danzig raus, und nach einer Stunde Fahrt erreichen wir bereits Malbork. Direkt hinter der Burg finden wir einen großen Parkplatz, und nur wenige Minuten später stehen wir in einer riesigen langen Schlange an der Kasse an. Peter bittet mich, stehen zu bleiben, und verschwindet hinter einer Glaswand. Nach zwei Minuten ist er wieder da und winkt mit Eintrittskarten. Es gibt einen Ticketautomat, aber den nutzt keiner, weil es so viele verschiedene Tickets gibt, das sich keiner auskennt. Gut wenn MANN abends schon mal alles online gecheckt hat. Nun flitzen wir noch zur Ausgabestelle mit den Audio Guides, dort bekommen wir die Geräte direkt auf deutsch eingestellt und unsere Tour durch die größte Burg der Welt kann beginnen. Die Audio Guides sind prima, zum einen startet der Text immer passend, abhängig davon wo man gerade steht. Und nach jeder Erklärung bekommt man gesagt und auf dem Gerät auch ein Bild mit einem Pfeil angezeigt, wo man weitergehen soll. Und nun geht es bergauf und bergab, durch die Aussenanlagen und durch die Innenräume, in die Keller und auf den Turm. Es gibt diverse Exponate zu Waffen, Kleidung, Gemälden und so weiter. Da wir in Danzig nicht im Bernsteinmuseum waren freut uns dann ganz besonders, dass es in der Burg eine große Bernsteinausstellung gibt. Die Anlage ist unglaublich groß und beeindruckend, und in Summe sind wir mehr als sechs Stunden unterwegs. Mittlerweile ist es spät und wir sind fusslahm, wir haben bereits vor einer Stunde entschieden, dass wir heute nicht weiterfahren. Nur 2,5 Kilometer entfernt befindet sich ein Campingplatz, den wollen wir anfahren. Aber erst einmal müssen wir den Parkplatz bezahlen. Und da bekommen wir fast einen Schlag: 100 PLN sind fällig, das sind 25 €! Aber nun gut, es nutzt ja nichts. Dafür standen wir gut und quasi direkt am Eingang. Wir verlassen den teuren Parkplatz und sind 5 Minuten später bereits am Campingplatz. Hier sind jetzt 125 PLN fällig, also um die 30 €. Dafür stehen wir an einem wunderschönen großen Ententeich auf einer Wiese, es gibt WC und Duschen (einfach aber sauber), Frisch- und Abwasser – also alles wann man braucht. Nach dem Abendessen (der Tag hat hungrig gemacht) geht es an die Planung der kommenden Tage, vermutlich erst einmal zur Wolfschanze, und dann weiter zu den Masurischen Seen. Bericht folgt….



Mittwoch, 4. September 2024
Nach einer ruhigen Nacht starten wir gutgelaunt in den neuen Tag. Auch heute weckt uns die Sonne, das heisst wir sollten uns wieder gut eincremen, bevor wir starten. Als erstes machen wir uns nach dem Frühstück auf den Weg zur Brigittenkirche. Wir wollen den Bernsteinaltar besichtigen, der mit seinen 11 m Höhe den 28 Werftarbeitern gewidmet ist, die bei den Aufständen im Dezember 1970 ihr Leben verloren haben. Während der Solidarność-Bewegung war die Kirche Treffpunkt und Aktionszentrum der jungen freien Gewerkschaft um Lech Wałęsa. Wie fast überall hier kostet die Kirche natürlich Eintritt, aber die insgesamt 11 PLN entsprechen ca. 2,60 €, das ist in Ordnung. Allerdings sind wir von dem Altar enttäuscht. Zum einen dürfen nur Teilnehmer einer Führung bis in den Altarraum, alle anderen können nur vom Hauptkirchenschiff aus schauen. Aber abgesehen davon finden wir den Altar auch nicht schön, er besteht größtenteils aus Weinreben, und einer großen Muttergottes, das passt für uns irgendwie nicht zusammen. Aber Kunst muss ja nicht jedem gefallen. Weiter geht es nun zur Mottlau und bis zur Anlegestelle der „Piratenschiffe“. Wir wollen eine Rundfahrt zur Westerplatte und zurück machen. Man hat auch die Möglichkeiten, die Tour an der Westerplatte für 1 oder 2 Stunden zu unterbrechen, aber wir machen die Rundtour und wollen direkt wieder zurück fahren. Wir kapern (es ist ja schliesslich ein Piratenschiff!) uns eine Sitzbank oben an Deck direkt im Bug, und nun heisst es warten. Denn die Abfahrt kann nur zur vollen Stunde erfolgen, da dann die Brücken über die Mottlau hochgefahren bzw. geschwenkt werden. Um 12 Uhr ist es so weit, und wir können zusehen, wie die Brücke beginnt, sich zu heben. Aber wir können immer noch nicht starten, denn vor uns hat sich ein Schiebeschiff gesetzt, das Vorrang hat. Nun bummeln wir also gemütlich hinter dem Kahnverbund her, was sicherlich den Zeitplan des Schiffs leicht durcheinander bringt, aber uns soll es recht sein, wenn die Fahrt ein paar Minuten länger dauert. Die Fahrt wird live kommentiert, und zwar dreisprachig, also polnisch, englisch und deutsch. Die Tour ist wirklich schön gemacht, und wir geniessen die gemächliche Fahrt. Als wir die Tote Weichsel erreichen (die heisst tatsächlich so!) können wir überholen, und das Schiff nimmt etwas Fahrt auf. Nun passieren wir den Yachthafen und können unserem Wohnmobil zu winken, bevor es weiter geht - vorbei an den riesigen Danziger Werften und den Kaianlagen mit Kohle, Schrott und weiteren Gütern, wie zum Beispiel auch Zucker. Nach gut 35 Minuten erreichen wir die Westerplatte, dem Ort, an dem der zweite Weltkrieg begann. Viele verlassen das Schiff, um die Denkmäler auf der Halbinsel zu besichtigen, wir bleiben jedoch an Deck und fahren noch einige Minuten weiter bis wir dann wenden und es wieder zurück geht. Nach insgesamt knapp 90 Minuten erreichen wir wieder die Anlegestelle in der Nähe vom Krantor. Die Fahrt war wirklich lohnenswert, wir haben viel gesehen, viel erfahren und hatten viel Spaß. Nun bummeln wir weiter durch die Stadt und laufen rüber zum sogenannten Amber Sky, einem Riesenrad. Der Blick von oben muss gigantisch sein, und die Fahrt ist mit unter zehn € auch bezahlbar. Ich bin noch nie Riesenrad gefahren, und freu mich schon. Da nicht viel los ist, haben wir Glück und haben die 8 Personen Gondel für uns allein. Die Gondel hat zwei gegenüberliegende Sitzbänke und ist zu Peters Freude vollklimatisiert. Die Tour startet und so sehr ich mich drauf gefreut habe – muss ich leider ganz schnell feststellen das Riesenrad fahren nicht mein Hobby wird. Ganz sicher nicht! Der Ausblick ist jedoch toll, und wir können wunderbare Aufnahmen von Danzig von oben machen. Aber als ich wieder festen Boden unter den Füssen habe, bin ich auch ganz froh. Peter hatte auf jeden Fall riesig Spaß, auch wenn ich noch irritiert bin, dass ich zwar problemlos Seilbahn fahren kann, aber Riesenrad mich ängstigt. Wie auch immer, nun geht es ja wieder zu Fuss weiter. Wir bummeln kreuz und quer durch Danzig und machen ungezählte Photos, bis wir uns dann am Nachmittag auf den Weg zu dem Restaurant mit den Piroggen machen. Das Restaurant hat nur Piroggen – jedoch in den verschiedensten Varianten. Also gedämpft, wie man es kennt, aber auch gebacken oder frittiert, aus Buchweizenmehl oder Hefe, aus Nudelteig oder oder oder. Mit jeweils um die 8 € pro Portion entscheiden wir uns einfach dazu, von jeder Sorte einmal zu nehmen. Die gedämpften Piroggen nehmen wir ganz traditionell mit Hackfleischfüllung und Speck und Zwiebeln dazu. Als gebackene Piroggen wählen wir eine Füllung aus Hähnchenfleisch, Mais, roten Zwiebeln und Gurke mit einem Knoblauchdip. Und für die frittierten nehmen wir eine spannende Mischung mit Hackfleisch, Ingwer, Lauch, Tofu, dazu gibt es Kimchi (fermentiertes Gemüse) und Sojasauce. Unser Fazit: lecker war alles, aber am besten sind die traditionellen gedämpften Piroggen. Die Piroggen aus Hefeteig schmeckten eher wie ein mexikanisches deftiges Gebäck, und die frittierten erinnerten an kleine Frühlingsrollen. Allerdings hat Peter sein Faible für Kimchi entdeckt, mir ist das allerdings viel zu scharf! Aber wie gesagt, lecker war es allemal, und wir werden zu Hause versuchen, auch mal Piroggen zu machen. Nun machen wir uns langsam auf den Rückweg, denn für heute reicht es uns. Einen letzten Stop gibt es aber noch, denn wir sehen uns noch das Bahnhofsgebäude an, das ist wirklich wunderschön. Zurück am Womo gibt es erst einmal einen Espresso, und den Abendanruf bei Mutter. Aber dann laufen wir später doch nochmal los, wir brauchen noch einen Briefkasten, und der nächste ist am alten Postamt. Das ist gleichzeitig auch ein Mahnmal des zweiten Weltkriegs, denn zeitgleich mit der Westerplatte fand hier ein Angriff auf das Postamt statt, das leider fast 50 Menschenleben kostete. Nach nicht einmal 15 Minuten sind wir zurück, und mittlerweile ist auch das Pärchen aus Nürnberg hier auf dem Platz angekommen, mit denen wir uns gestern Abend festgequatscht haben. Nach einer guten Stunde verabschieden wir uns von den beiden und ziehen uns ins Womo zurück. Ich will noch tippern, und Peter möchte sich die Route für morgen nochmal anschauen. Das erste Ziel des Tages heisst Marienburg, eventuell geht es dann noch weiter zur Wolfsschanze, mal schaun wie weit wir kommen.