Mittwoch, 8. Juni 2022
Die Nacht ist stürmisch. Tatzel schwankt trotz seiner gut 4 Tonnen so stark, als wären wir unterweges auf der Fähre über den Ärmelkanal. Und auch am Morgen lässt der Wind nicht nach. Also disponieren wir um, Radfahren fällt bei dem Sturm aus. Stattdessen packen wir zusammen und erkunden die Insel mit dem Wohnmobil. Dazu muss man wissen, dass die Straßenbreite hier in etwa einer Fahrzeugbreite entspricht. Deshalb gibt es unzählige kleine Ausweichbuchten. Auch die Kinder spielen hier alle unbedarft mitten auf der Strasse, sobald sie allerdings ein Auto hören springen sie direkt an den Rand und oft winken sie uns fröhlich zu. Viele Touristen verirren sich scheinbar nicht hierher. Hier auf Leka gibt es unzählige Wanderwege, wir haben auf der Fähre ein kleines Büchlein der Touristinfo bekommen, da sind alle Wege mit Startpunkt, Parkmöglichkeiten, Schwierigkeitsgrad und natürlich den Highlights beschrieben. Blöd nur, dass fast alle Wanderwege jeweils nur eine kleine Parkbucht haben. Für einen PKW ok, aber ein Wohnmobil kann man da nicht hinstellen, ohne direkt die halbe Straße mit zu blockieren. Also heisst es wieder, langsam fahren (bei dem wenigen Verkehr kein Problem) und mit den Augen geniessen. Wir fahren zu dem Parkplatz, wo die Wanderung zu der Höhle mit den Felszeichnungen startet. So ein Mist, erstens kann man die Höhle nur in einer geführten Tour besichtigen. Und auch das fällt aktuell aus, da die Höhle wegen Steinschlaggefahr komplett gesperrt ist. Schade, das wäre bestimmt interessant gewesen. Weiter geht es zum Wanderparkplatz im Norden der Insel, dort kann man wahlweise zum Berg Støypet und /oder zum Ørnerovet, dem Platz des Adlerraubes wandern. Als wir ankommen, ist der Parkplatz jedoch leider belegt. Ein Kastenwagen und ein PKW stehen bereits dort, ausserdem findet gerade ein Schulausflug oder so etwas statt. An die 100 Jugendliche verschiedener Altersstufen kommen gerade mit ihren Fahrrädern an, rennen durcheinander auf der Strasse rum, ein riesen Tohuwabohu. Also nichts wie weiter. Nun fahren wir in den Südosten der Insel, nach Skeisneset. Der Parkplatz ist für hiesige Verhältnisse riesig, das heisst wir können entspannt dort stehen und es wäre noch Platz für ein weiteres Wohnmobile und ein paar PKW?s. Aber erst einmal sind wir alleine. Es gibt diverse Wandermöglichkeiten, wir entscheiden uns für den geologischen Pfad. Tja, willkommen in Norwegen. Spätestens wenn es heisst, dass ein Wanderweg ein gemütlicher Familienspaziergang ist, sollte man gewarnt sein. Wir nehmen vorsichtshalber mal unsere Stöcke mit, und das ist eine wahrhaft gute Idee. Denn es startet entspannt auf einer Wiese, dann durch ein Gatter auf eine Schafweide, und dann geht es recht kreativ Fels auf und ab, über moorige Weiden, Berg rauf und runter. Die Kennzeichnung des Weges erfolgt zum Teil über Holzpfähle mit einer roten Markierung, hier allerdings oft auch mit kleinen weissen Holzpfeilen knapp über dem Boden, die die Richtung zum nächsten Pfeil weisen. Wie man da hinkommt ist dann meist der eigenen Kletterkunst überlassen. Und so hangeln wir uns von Pfeil zu Pfeil. Unterwegs findet man immer wieder Schautafeln aus Holz die man aufklappen muss. Dann gibt es Erklärungen zur Geologie, Fauna und Flora. Grundsätzlich steht auf den Tafeln alles in Norwegisch, aber es sind immer QR Codes vorhanden, wenn man die scannt bekommt man alle Informationen auch in Englisch oder Deutsch, das ist wirklich toll gemacht. Kurz bevor wir zurück am Womo sind, kreuzen wir den Familienloop. Der Weg führt durchs Torfmoor, und in einer alten Hütte kann man sich genauer informieren und sogar noch alte Torfziegeln sehen und anfassen. Der Tag ist noch jung, also gehen wir nicht die 300 m zurück zum Parkplatz sondern folgen dem Loop Richtung Nordosten. Dann zweigt der Rundweg zum Ivarshallaren ab. Den Weg nehmen wir direkt auch mit und werden mit einer tollen Aussicht über den Atlantik belohnt. Es gibt zwei Wege, einen breiten, neu geschotterten der als Rollstuhltauglich beschrieben wird (wir würden sagen für Kinderwagen ok, für einen Rolli eher holprig). Zusätzlich gibt es für die kleinen (und großen) Kinder einen Weg über Stock, Stein, Fels und Geröll, wiederum mit den bereits bekannten kleinen weissen Pfeilen markiert. Oben auf dem höchsten Punkt sind eine Schutzhütte und dort steht auch ein Briefkasten. Seltsam, auf dem Kasten steht nur der Name des Aussichtspunktes, mal schauen ob da vielleicht noch weitere Infos enthalten sind. Nein, sind nicht, dafür aber eine Kladde und eine wasserdichte Dose mit Stiften. Wie cool, die haben also ein Gästebuch hier oben. Natürlich verewigen wir uns direkt. Wir machen noch ein paar schöne Bilder, dann geht es zurück zum Familienloop, und dann erreichen wir irgendwann auch wieder den Parkplatz. Als nächstes halten wir beim Coop, denn ich hab gestern eine neue Dose Aioli fallen lassen, und leider sind jetzt (vermutlich) kleine Plastiksplitter darin enthalten. Also kaufen wir ein kleines Küchensieb, damit ich die Aioli durchsieben kann. Die brauche ich für die leckeren Krabben die wir gekauft haben. An der Kasse werden wir mit einem stolzen ?auf Wiedersehen? verabschiedet. Deutsch ist ein Wahlfach in Norwegen, und das zeigen die Norweger gerne. Der Tag ist immer noch recht jung bzw. es bleibt hier ja einfach immer hell. Also versuchen wir unser Glück erneut im Norden der Insel, vielleicht haben wir ja jetzt mehr Glück. Und tatsächlich, unterwegs kommen uns die ganzen Kids auf ihren Rädern entgegen. Und auch die beiden Fahrzeuge sind mittlerweile weg. Wir parken direkt schön am Rand, so dass wir gegebenenfalls direkt auch die Nacht hier verbringen können. Als erstes gehen wir auf die andere Strassenseite, die an der Küste liegt. Dort sieht man schon die tollen Farben im Gestein und hat einen gigantischen Blick auf die hohen Felsen. Dann gehen wir zurück, schnappen unsere Stöcke und laufen los. Na, das wird ja wieder spaßig. Denn eigentlich soll der Weg ja markiert sein, wieder mit Holzpfählen und roter Markierung. Allerdings stehen diese wirklich weit auseinander, und man muss oft und lange suchen, wo es denn nun weitergeht. Dazu führt der Weg über Fels und Geröll, rauf und runter, dann kommen wieder moorige Stellen. Aber es macht wirklich Gaudi, die Sonne lacht und nur der immer noch sehr heftige Wind stört die Freude etwas. Dann erreichen wir nach einer guten Stunde eine ?Gabelung?, dort trennen sich die Wege zum Støypet und zum Adlernest. Ein Blick nach oben an den Fels reicht, wir gehen lieber weiter zum Plateau auf dem Støypet. Nach einer weiteren Viertelstunde ist es vollbracht. Und wir werden wieder mit einem herrlichen Ausblick belohnt. Auch hier gibt es einen Briefkasten mit einem Gästebuch, in das wir uns natürlich ebenfalls eintragen. Dann machen wir uns auf den Rückweg. Und aus dieser Perspektive sieht man auch die Pfähle deutlich besser. So sind wir schneller als auf dem Hinweg. Zurück am Womo koche ich erstmal einen leckeren Espresso, Peter isst ein Stück Kuchen aber mir ist nach deftig und ich mache mir ein Salamibrot. Wir überlegen eine Weile, ob wir hier stehen bleiben oder uns einen anderen Platz suchen. Aber die Optionen sind klein, wir können entweder an den Wanderparkplatz zu der gesperrten Höhle oder da wo wir gestern Nacht standen. Auf dem schönen Parkplatz in Skeisneset darf man leider nicht über Nacht stehen. Wir entscheiden uns, da zu bleiben wo wir sind und machen es uns gemütlich. Während ich anfange Salat zu putzen, plant Peter schon mal die weitere Route. Dann geht es ab, zuerst kommt ein Womo dazu, dann ein Caddy und ein Traktor mit großem Anhänger. Der Fahrer des norwegischen Womo spricht kurz mit dem Treckerfahrer, setzt sich ins Womo und fährt weg. Dann holen der Caddyfahrer und der andere ihre Kettensägen raus und los geht es. Eine Birke nach der anderen wird gefällt, dann kommt noch ein Auto mit einer Waldarbeiterin, und dann geben wir auf. Wir packen alles zusammen, und fahren wieder an den Platz vom Vortag. Welch himmlische Ruhe. Während ich den Tisch decke baut Peter den Grill auf. Nach einem leckeren Essen schnappe ich mir wie gewohnt den Rechner um alle Erlebnisse festzuhalten. Morgen geht es dann zurück aufs Festland.