Sonntag, 5. Juni 2022
Bei leichtem Nieselregen setzen wir unsere Fahrt auf der FV17, dem Kystriksveien, fort. Der Regen nimmt zu und die Fahrt verliert durchaus etwas an Reiz, denn die Wolken hängen tief überm Wasser, und man sieht nicht viel. Dazu kommen wieder reichlich Tunnel. Grundsätzlich ist die Küstenstrasse aber eine absolute Alternative zur öden E6, etwas Sonne wäre aber wirklich schön. Aber man kann halt nicht alles haben. In Forøy müssen wir eine Weile warten, die Fähre ist gerade auf der anderen Seite. Dann kommt sie endlich, aber nachdem alle Fahrzeuge die Fähre verlassen haben, macht die Crew erst einmal Pause. Also nochmal warten. Wir haben Glück und sind schnell drauf. Die Überfahrt dauert vielleicht eine viertel Stunde ? grob geschätzt. Weiter geht es zur nächsten Fähre. Laut dem Fahrplan im Internet soll die bereits in 25 min gehen, es sind aber noch 26 km. Wir versuchen es einfach, vielleicht haben wir ja Glück. Peter fährt zügig, aber nicht gehetzt, und wir erreichen ?theoretisch pünktlich? den Fährhafen von Jektvik. Aber es gibt noch keine Fähre. Ok, falschen Fahrplan erwischt. Wir hätten uns gar nicht eilen müssen, wir haben noch eine gute Stunde Zeit. Also wieder warten. Wobei das in einem Wohnmobil ja sehr entspannt ist. Ich schnapp mir den Rechner und tippe schon mal den gestrigen Tagesbericht. Dann kommt die Fähre und wir sind als zweites Fahrzeug an Deck. Die Überfahrt dauert etwas mehr als eine Stunde und wir müssen alle die Fahrzeuge verlassen. Das Fahrzeugdeck wird während der Überfahrt für Passagiere gesperrt. Auf der Fähre ist kaum etwas los, von daher haben wir eine Sechser Sitzgruppe für uns allein. Plötzlich zeigt Peter zum Fenster ? am Ufer sieht man die Weltkugel, das heisst wir fahren gerade am Polarkreis vorbei. Tschüss Mitternachtssonne, ich hoffe wir sehen uns nochmal wieder!! Wir haben Glück und fahren als erstes von Bord. Weiter geht es über die FV17. Und Tunnel reiht sich an Tunnel, aber da die Wolken bis fast aufs Wasser hängen, verpassen wir auch nicht viel. Dann kommen wir in Nesna an. Dort stellen wir uns zuerst in der faschen Schlange an und während fast auf die Fähre nach Tommas gefahren. Aber zum Glück haben wir es rechtzeitig bemerkt und die Wartespur gewechselt, denn wir müssen ja nach Levang. Und dann warten wir, und warten wir, an der Anzeigetafel steht dass die nächste Fähre um 16.40 Uhr gehen soll. Dann sehen wir eine Fähre kommen, aber die legt nicht an sondern setzt mit geöffneter Luke zurück in den kleinen Hafen. Sehr komisch. Die letzten 10 Minuten macht die Anzeigetafel einen Countdown bis zur Abfahrt, es ist nur immer noch keine Fähre da. Und plötzlich ist nur noch die nächste Fähre um 17.45 Uhr angeschlagen. Ein Norweger informiert uns, dass den Rest des Tages wohl keine Fähre mehr geht auf Grund des schlechten Wetters. Wir suchen im Internet, aber auf der Website der Fährgesellschaft steht nur, dass erst mal die 16.40 Uhr Fähre ausfällt, und dann mal schauen. Also warten wir weiter, mit uns ein Ehepaar aus Deutschland, das auf der anderen Seite der Fähre sein Hotel gebucht hat. Quasi in Wurfweiter. Aber irgendwann wird klar, dass heute tatsächlich keine Fähre mehr fahren wird, zumindest nicht hier. Also machen wir uns über Land auf den Weg zur anderen Seite Richtung Levang. Und so werden aus 15 min Fähre satte 150 km Strasse, und 2,5 h Fahrzeit. So kann es gehen? Wir fahren also ein gutes Stück auf der FV17 zurück, biegen dann ab Richtung E6 um letztendlich wieder auf der öden Überlandstrasse zu landen. Und auch hier reiht sich Tunnel an Tunnel, der längste mit knapp 11 km. Dann nähern wir uns wieder der FV17. Bevor wir uns einen Stellplatz für die Nacht suchen, fahren wir noch eine Shell an. Einmal Tank voll bzw. Kassette leer. Dann geht es weiter. Wir entdecken ein Schild zum Aussichtspunkt der sieben Schwestern. Mitten im nirgendwo landen wir auf einen Schotterparkplatz. Nicht schön, aber zur nächsten Fähre morgen früh (von Tjøtta nach Forvik, falls sie denn fährt) sind es noch 30 km, das ist eine gute Entfernung. Also anhalten, Jalousien zu und Abendessen. Für heute reicht es. Von unserem geplanten Ziel Torghatten sind wir noch knappe 95 km (das heisst hier ungefähr 3 h Fahrzeit) entfernt



Der Parkplatz auf dem wir übernachtet haben ist übrigens gleichzeitig eine Gedenkstätte des zweiten Weltkriegs, wie viele hier an der Küste Norwegens. Auch unsere geplante Tagesetappe für den heutigen Tag - der Parkplatz Ureddplassen. Aber dazu mehr wenn wir da sind. Bei gutem Wetter starten wir gemütlich an der Küstenstrasse entlang. In Skarberget geht es dann auf die Fähre. Die Fahrt bis Bognes dauert eine knappe halbe Stunde. Was die Fähre kostet, wissen wir nicht, es werden alle Nummernschilder photographiert wenn man auf die Fähre rollt. Die Rechnung kommt dann vermutlich direkt über Autopass, das norwegische Mautsystem. Wir werden sehen? Die Landschaft ist beeindruckend, allerdings hat man nicht viele Möglichkeiten um gute Photos zu machen. Denn entweder mangelt es an Haltemöglichkeiten ? oder man hat eine Haltebucht und schaut nur auf Bäume und sieht nichts von den Fjorden. Aber ich versuche immer wieder, während der Fahrt aus dem Seitenfenster raus schöne Bilder zu machen. Da relativ wenig los ist, kann Peter oft unproblematisch auch mal abbremsen, fürs Photobuch wird das ein oder andere brauchbare dabei sein. Und den Rest sehen wir ja in live. Wie zum Beispiel die beiden Elche, die plötzlich neben der Strasse auftauchen. Und so schnell wie sie auftauchen, sind sie leider auch schon wieder weg. In Innhavet halten wir an einer Shell an, denn dort gibt es eine Wohnmobilstation. Also kostenlos Frischwasser, Entsorgung Grauwasser und bei Bedarf auch Entleerung der WC-Kassette. Das ist in Skandinavien wirklich top, im Schnitt alle 100 km findet man solche Stationen. Weiter geht es Richtung Süden, oft direkt am Fjord lang, aber wie immer in Norwegen haben wir auch viele Tunnel. Die meisten sind wirklich gut ausgebaut, allerdings sind viele Tunnel wirklich steil, Steigungen bzw. Gefälle mit 8% und mehr sind keine Seltenheit. Und so schlängeln wir uns durch den Tag, geniessen die Fahrt und die Landschaft. Dann kommt ein Parkplatz mit dem Schild Salstraumen. Irgendwas sagt uns das, das kam in einer Norwegen Doku vor. Schnell frag ich Google, während Peter präventiv schon mal rausfährt. Genau, Salstraumen ist der stärkste Gezeitenstrom der Welt. Ein Rundweg führt vom Parkplatz runter ans Wasser zu dem Strudel. Allerdings erwischen gerade den Zeitpunkt kurz vor der Tidenumkehr, das heisst der Strudel ist nur schwach ausgeprägt. Aber immerhin lacht noch immer die Sonne und wir bekommen etwas Bewegung. Am späten Nachmittag erreichen wir dann Ureddplassen - also Uredd Platz. Der Parkplatz ist sehr stylisch angelegt, mit Sitzbänken aus rosé und weissem Stein, dazu eine öffentliche Toilette quasi mit Blick auf den Fjord. Namensgebend ist eine Gedenksäule mit einem Schwertfisch, dessen Schwert in Richtung der Stelle zeigt, an der die Uredd auf Grund liegt, ein norwegisches U-Boot das auf dem Weg zu einer Sabotageaktion im Fulgløfjord mit einer deutschen Seemine kollidierte und mit 42 Matrosen an Bord gesunken ist. Ursache war die fälschliche Angabe britischer Agenten, dass das Gewässer sicher sei. Wieder etwas gelernt. Wir überlegen ob wir die Nacht hier verbringen sollen, denn der Blick auf das Wasser ist wirklich toll. Aber richtig schön ist der Platz eigentlich nicht. Also fahren wir weiter, und schon wenige Kilometer später sehen wir auf einem Strandparkplatz zwei Wohnmobile stehen, und es gibt noch reichlich Platz. Also Blinker raus und dann stehen wir 5 min später neben einem deutschen Ehepaar mit einem Bimobil, also so etwas ähnlichem wie unsere Lotte damals. Wir quatschen kurz, dann gehen die beiden erst mal mit ihren Hunden zum Baden. Und wir kümmern uns ums Abendessen. Peter grillt nochmal Burger und Käsekrainer, langsam wird wieder Platz im Gefrierfach. Da heute unser Hochzeitstag ist, machen wir uns eine Flasche Sekt auf. Später kommen wir nochmal mit der Dame neben uns ins Gespräch. Die beiden haben gerade ein halbes Jahr Sabbatical, und eigentlich wollten sie in die Türkei, Iran und halt Richtung Südosten. Aber durch die ganze politische Situation mussten sie spontan umdisponieren. Dann sind sie nach Slowenien, Montenegro und Serbien, aber da war es so heiss und überfüllt, dass sie sich dann doch entschieden haben, in den Norden zu fahren. Ja, manchmal muss man halt flexibel sein, ein Sabbatical kann leider in den meisten Fällen nicht mehr verschoben werden, wenn er einmal vereinbart ist. Das ist bei Audi das gleiche. Langsam wird es frisch draußen, wir verkrümeln uns nach drin, dort wartet noch etwas von dem Sekt. Dazu spielen wir eine Runde Reversi. Das ist Teil einer magentischen Spielesammlung, die Mutter uns in die Adventspäckchen gelegt hat. Na super, ist ja klar. Peter kennt das Spiel nicht, braucht erst mal eine Anleitung ? und lattert mich dann in kürzester Zeit. Ok, also morgen Abend wieder Kreuzworträtsel oder lesen, das ist nicht ganz so demoralisierend. Gegen Mitternacht krabbeln wir ins Bett, die ganze Nacht hören wir das laute Rauschen der Wellen und den Regen, der ununterbrochen aufs Dach trommelt. Die Sonnentage scheinen erst mal vorbei zu sein.