Die Nacht ist ruhig, der Sturm lässt langsam nach. Da wir ja bereits laut unserer ursprünglichen Planung einen guten Tag Verzug haben, wollen wir heute ein bisschen Strecke machen. Mal schauen ob uns das gelingt. Theoretisch war der Plan, an einem Tag von Leka bis Kristiansund zu fahren. Aber nachdem wir nun seit 14 Tagen unterwegs sind, ist eines klar - das ist nicht zu schaffen. Also fahren wir soweit wir kommen und Lust haben. Als erstes müssen wir wieder aufs Festland. In Skei müssen wir eine knappe halbe Stunde warten bis die Fähre kommt. Wir nutzen die Zeit und unterhalten uns mit einer jungen Französin, die wir kurz vor der Fähre überholt haben. Sie und ihr Mann sowie die beiden kleinen Töchter (geschätzt 5 und 7 Jahre alt?) sind mit den Fahrrädern von Paris zum Nordkap gefahren, und sind jetzt auf den Rückweg nach Hause da die Tochter bald in die Schule kommt. Mit dem Fahrrad ans Nordkap - echt jetzt? Wobei, wir haben unterwegs jetzt wirklich viele viele Radler getroffen die genau diese Tour machen, aber doch nicht mit zwei kleinen Kindern - ich bzw. wir sind voller Respekt für so ein Abenteuer. Wobei die das alles ganz locker nehmen, sie haben für die Tour schon mal ein paar Wochen in Frankreich geprobt, dann haben sie ihren Bruder in Pinneberg mit den Fahrrädern besucht und dann war klar, das klappt auch bis zum Nordkap. Die Fahrräder sind Sonderumbauten, jeder der beiden hat vorne ein Kind in einem richtigen Sitz (kein Sattel). Und derjenige der vorne sitzt kann, muss aber nicht mit treten. Ursprünglich wurden diese Fahrräder für Menschen mit Handikap und ihre Angehörigen entwickelt. Wirklich eine coole Sache, aber ehrlich gesagt sind wir nicht so die Radler? Die Fähre kommt und wir dürfen wieder in die Mitte und nach vorne durchfahren. das ist prima, heisst es doch dass wir auch als erstes von der Fähre runterkommen. Oh, da war ja noch was ? diese ellenlange furchtbare Baustelle. Da wir erste sind, bummelt wenigstens keiner vor uns rum. Peter hängt mit Tatzel sogar die PKW?s hinter uns ab. Immer wieder müssen wir auf Schritttempo drosseln, dann rumpumpelt es durch, zwischen und über riesige Schlaglöcher. Soweit so gut, das hätte ich auch alles geschafft. Aber dann wird es mehrmals wirklich haarig, denn alle paar Kilometer blockieren Bagger den Weg. Die stoppen dann zwar nach 5- 10 min ihre Arbeit (länger mussten wir nur selten warten), aber sie stellen einfach nur das Führerhaus gerade und dann kann man sehen wie man dran vorbeikommt. Ich kritisiere meinen Mann wirklich oft für seinen Fahrstil bzw. sein Verhalten beim Autofahren, denn er schimpft immer wie ein Rohrspatz und betitelt andere Verkehrsteilnehmer nicht gerade mit Kosenamen. Aber wenn es eng wird ist er in seinem Element. Während ich die Luft anhalte um das Womo schmaler zu machen, zirkelt er entspannt mit einem Reifen schon in der Rabatte und nicht mal einer Handbreit Luft zum Bagger (oder einem Felsen) an jedem Hindernis vorbei. Scheinbar geht es auch den anderen wie mir, denn jedes Mal wenn so eine Aktion ist dauert es gefühlt eine Ewigkeit, bis hinter uns wieder ein Fahrzeug auftaucht. Ich bin froh als wir endlich durch die Baustelle sind. Weiter geht es nun auf der 771, immer dicht an der Küste lang. Wir haben unglaubliches Glück mit dem Wetter, es ist zwar frisch (8°C-12°C), aber wolkenloser Himmel und strahlender Sonnenschein. Die 771 - und später 770 - sind kleine Landstrassen, abseits der großen Überlandrouten. Entsprechend ist kaum etwas los auf den Strassen. Stattdessen müssen wir dauernd auf die Schafe mit ihren Lämmern aufpassen, die sich auf den warmen Asphalt legen und schlafen. Wir machen etliche Stops und geniessen die Landschaft. Dann kommen wir an einer Tankstelle mit einem für hiesige Verhältnisse tollen Preis von ca. 2,16 ?. Eigentlich wollten wir erst in Namsos tanken, aber manchmal muss man gute Gelegenheiten einfach nutzen. Dann erreichen wir den Fähranleger in Hofles, dort wollen wir nach Lund übersetzen. Leider ist die Fähre aber bereits weg, die nächste fährt in knapp 2 Stunden. Ok, also haben wir Zeit. Dann taucht die Gruppe Radler auf, die wir vor 6 km überholt haben, die wollen auch auf die Fähre und kommen gerade vom Nordkap (woher auch sonst). Die nutzen die Zeit und kochen sich auf ihrem Kocher ein schnelles Mittagessen. Und ich nutze die Zeit und siebe mal meine Aioli durch um die Plastikstückchen rauszubekommen. Dann überlegen wir noch wie wir weiter fahren. Wir versuchen immer eine gute Balance zwischen ?einsame Strassen? und ?Strecke machen? zu finden. Dann kommt endlich die Fähre und eine gute halbe Stunde später sind wir in Lund. Wir sind mittlerweile auf der 769 und fahren nach Namsos. Dort fahren wir zur Shell und nutzen die offizielle und wie fast immer kostenlose Dumpingstation. Tanken müssen wir ja nun nicht mehr. Ab jetzt geht es nochmal ein letztes Stück auf den Kystriksveien, dann biegen wir ab auf die 715. So langsam suchen wir nach einem Platz für die Nacht, aber irgendwie finden wir nichts Schönes. Und plötzlich erreichen wir schon Brekstad. Von hier sollte eigentlich die Fähre nach Agdenes gehen, aber komischerweise steht Valset dran. Nach einer Ehrenrunde über den Parkplatz und dank Google sehen wir dann, dass es trotzdem die richtige Fähre ist. Wir nutzen die Chance und rollen noch drauf, und bereits 2 min später legt die Fähre ab. Die Überfahrt ist toll, denn die Fähre ist vollelektrisch unterwegs, und man hört nur das Rauschen der Wellen die an den Bug schlagen. Dazu ist es mittlerweile komplett windstill. So sanft wurden wir noch nie über einen Fjord geschaukelt. In Valset ist direkt ein großer Parkplatz am Kai, für heute reicht es. Wir stellen uns mit Blick aufs Wasser auf den Schotter, Peter baut den Grill auf und ich hole das Fleisch aus dem Kühlschrank. Während wir essen parkt noch ein norwegisches Womo neben uns, denen reicht es wohl auch für heute. Ein weiterer schöner Urlaubstag geht zu Ende. Morgen ist dann die Atlantikstrasse das Ziel, und noch weiter zu den Nationalparks Nähe Dømbas.