Tja, heute könnte ich ja theoretisch den Text von gestern kopieren, ich muss nur die Zip Line raus löschen. Aber so einfach mache ich es mir natürlich nicht. Denn zu Fuss war noch mal ein ganz anderes Erlebnis. Aber mal ganz von vorne. Wir haben beide keinen richtigen Hunger, also essen wir jeder nur einen Lefse. Das ist eine Art Fladen der entweder mit Butter- und Zimtcreme gefüllt ist. Sehr genial, und obwohl ich eigentlich total auf Buttercreme stehe, bevorzuge ich die Zimtvariante, also die Kanelkrem. Ob wir heute abend noch weiter fahren oder nicht ist noch nicht ganz klar, und hängt sicher davon ab wann wir zurück sind. Wie auch immer, den Campingplatz müssen wir bis spätestens 12 Uhr räumen, also wollen wir mit Tatzel zu dem Parkplatz, auf dem wir bereits die erste Nacht verbracht haben. Bevor wir vom Platz rollen leere ich noch schnell die WC Kassette, dann ist das Bad wieder voll einsatzbereit. 5 Minuten später stehen wir schon 500 m weiter auf dem Parkplatz, packen uns unsere Rucksäcke und los geht es. Die Sonne brennt vom Himmel, aber es geht ja doch auf knapp 900 m rauf, von daher haben wir vorsichthalber eine warme Jacke und Regenkleidung eingepackt. Dazu reichlich zu trinken, für jeden zwei Brote, etwas Schoki und Bananen. 21 km sind wir uns Schreibtischtäter schon eine Menge. Um kurz nach ½ 10 Uhr stehen wir am Bahnhof, bereits eine viertel Stunde später sitzen wir im Waggon auf der linken Seite und geniessen das tolle Wetter. Die Bahn ist halbwegs leer, das für 05.30 Uhr in der Früh geplante Kreuzfahrtschiff Amera kommt nun doch erst mittags an. Gut für uns, so ist die Fahrt recht entspannt. Am Wasserfall ist wieder 5 min Stop mit dem Tanz der Huldra, einer norwegischen Fee, und diesmal sind wir drauf vorbereitet und filmen das Spektakel. Kurz danach erreichen wir dann den Bahnhof in Myrdal. Wir laufen direkt los, denn wir wissen jetzt ja wo der Weg startet. Nach ca. 1,5 km teilt sich der Weg, gestern sind wir geradeaus den Berg hoch zur Zipline, heute biegen wir links ab auf den Rallarvegen. Rallarvegen bedeutet eigentlich Bahnarbeiterweg und ist ein nicht asphaltierter Weg, der entlang der Bergenbahn über die Hardangervidda führt. Er diente ursprünglich dem Bau der Bahnstrecke über die Hardangervidda und wird heute als Rad- und Wanderweg genutzt. Auf einer Distanz von knapp zwei Kilometern geht es 300 m runter, die 21 Serpentinen haben bis zu 18% Gefälle. Während ich sehr erleichtert bin, dass wir das gestern nicht radeln mussten, sieht man meinem Mann die Enttäuschung an. Er hatte sich auf Downhill gefreut ? ich hätte eh geschoben. Aber ich denke die Zipline war eine tolle Entschädigung. Ab dem Ende der Serpentinen ist auch Fahrzeugverkehr zugelassen, und das werden wir später noch merken. Die Sonne bleibt uns treu und nach 5 km erreichen wir den Bauernhof, der das Ziel der Zipline darstellt. Ein knappes Viertel der Strecke ist geschafft, wir belohnen uns mit einer Ziegenkäseplatte die wir uns teilen. Es gibt den bekannten Brunost (Braunkäse), Feta, Ziegenkäse, Schüttelbrot, Ziegensalami und Sauerrahm mit Schnittlauch. Nichts zum Sattwerden, aber wir müssen ja auch noch ein paar Kilometer laufen. Lecker war es aber und motiviert laufen wir weiter. Und direkt vom Bauernhof raus stehen wir mitten in einer Herde Ziegen. Wir müssen über eine Brücke, aber die beiden Radfahrer, die vor uns stehen bekommen das Tor nicht auf, weil zwei Ziegen das blockieren. Und die trauen sich nicht die Ziegen mal beiseite zu bugsieren sondern stehen da mit großen Augen und sind vollkommen hilflos. Ich kümmer mich also um die Ziegen, Peter sich um das Tor, und die beiden Radfahrer flüchten regelrecht auf die Brücke. Gerade als wir das Tor wieder schliessen wollen kommt noch ein Radler an. Dem helfen wir natürlich auch noch, aber dann Tor zu und weiter, sonst kommen wir aus der Türsteher-Nummer nie mehr raus. 16 Kilometer liegen noch vor uns, aber wir haben ja Zeit. Die Strecke ist herrlich, aber wie oben schon geschrieben merken wir heute den Verkehr deutlich. Während uns gestern nur ein verirrtes Wohnmobil, ein Service Fahrzeug und ein privater PKW entgegen gekommen sind, ist heute mehr Verkehr als auf dem Kamener Kreuz. Quads, ATV?s, PKW?s, Motorräder, Kastenwagen, Fahrzeuge mit Anhänger? alle paar Minuten braust ein Fahrzeug an uns vorbei. Zu Fuss ist das nicht so schlimm, da wir eh am Rand lang laufen und langsam sind. Aber wenn man als Radfahrer bergab nach einer Kurve plötzlich vor einer Motorhaube steht, ist das schon unschön. Der Weg ist nun größtenteils asphaltiert, das war fürs radeln schön, aber zu Fuss wäre uns Schotter lieber. Der Weg führt oft neben, über oder unterhalb der Bahnlinie lang, und da alle 30 min eine Bahn auf der Strecke fährt, können wir immer mal wieder einen Blick erhaschen. Und wir kommen sogar pünktlich an die einzige zweispurige Stelle der Strecke und können die Vorbeifahrt photografieren. Und so laufen wir immer weiter und machen unzählige Stops, um die Wasserfälle und die Landschaft aus allen möglichen Perspektiven aufzunehmen. Es ist ein bisschen so, als wollte ich diese Tage mit den vielen Bildern konservieren, um sie später wieder rauszuholen wenn das mit dem Reisen vielleicht nicht mehr so möglich ist. Aber seien wir ehrlich, wer schaut sich die tausende Photos denn wirklich nochmal alle an? Daher nehme ich mir immer viel Zeit um tolle Photobücher zu gestalten. Denn die holen wir tatsächlich immer mal wieder raus, schauen sie mit Freunden an und erinnern uns an tolle Abenteuer. So vergeht die Zeit mit wandern, schauen, reden und photografieren, und ca. 1 km vor der Flǻmskirche machen wir erneute eine kurze Rast. Dort treffen wir auf ein Ehepaar aus Kleve und ratschen uns erst einmal fest. Aber irgendwann müssen wir die letzten 4,5 km in Angriff nehmen. Rucksäcke auf und los geht es. Dann hören wir in der Ferne das Tuten der Bahn. Super, wir stehen quasi neben den Gleisen, das könnte noch ein tolles Selfi werden. Und als quasi letztes Photo des Tages haben wir noch einmal die Flǻmbahn drauf und erreichen nach gut 6 Stunden müde und ko, aber glücklich, unser Wohnmobil. Zum Abendessen gibt es die restlichen Brote, und dann machen wir es uns gemütlich. Eigentlich wollten wir noch weiter, aber wir sind doch etwas müde und bleiben auf dem Parkplatz stehen. Und nachdem wir den ersten Kaffee gekocht haben, rollte plötzlich auch das Ehepaar aus Kleve neben uns. Während ich tippe kommen noch mehr und dann stehen wir hier zu siebt. Nun heisst es noch ein bisschen Route planen, denn unsere Reise nähert sich dem Ende und wir müssen Samstag auf die Fähre. Mal schauen was uns bis dahin noch alles einfällt.
eowynrohan am 20. Juni 2022