Sonntag, 12. Juni 2022
Der Morgen erwartet uns trocken, aber sehr sehr windig und mit dunklen Wolken am Himmel. Laut Wetterbericht soll es aber nur drohen und wir sollten trocken bleiben. Wir ziehen uns warm an, denn durch den Wind ist es echt kalt. Aber wir nehmen diesmal beide einen Rucksack mit, so können wir bei Bedarf unsere Jacken verstauen. Ausserdem wechsel ich meine Wanderschuhe. Statt meinen üblichen Lowa aus Goretex nehme ich die Columbia, die sind quasi Vollplastik. Bei den Wegen hier erscheint mir das als die bessere Lösung. Heute wollen wir den Moschussteig östlich der E6 gehen, allerdings gibt es auf dem Teil, den wir heute laufen wollen, tatsächlich gar keine Moschusochsen. Die Herden halten sich alle westlich der E6 auf. Der Weg heisst nur so, weil man (theoretisch) mit einem Fernglas auf der gegenüberliegenden Seite Moschusochsen beobachten kann. Der geplante Rundtrip ist ca. 8 km lang, das sollte gut zu schaffen sein. Wir laufen los, und sind Mutterseelen allein. Der Weg ist ungewohnt breit und unproblematisch zu laufen. Vorbei an einem See - den wir gar nicht so in Erinnerung hatten als wir die Route geplant haben - kommen wir an einige Wegweiser. Komisch, da sind nur Loipen ausgeschildert, das würde auch die Wegbreite erklären. Peter zieht seine Wander-App zu Rate und wir stellen fest, dass wir schlichtweg den falschen Weg genommen haben. Aber kein Problem, wir können von hier aus auch wieder auf den geplanten Trail kommen. Also biegen wir nun ab und ab jetzt geht es steil bergauf. Bald sieht es auch wieder aus wie die üblichen Wanderwege hier, eng, steinig, Trampelpfad. Immer noch sind wir komplett alleine unterwegs. Das Wetter ist allerdings auch nicht so richtig einladend. Trotzdem haben wir mittlerweile auf die Sonnenbrillen gewechselt, denn uns brennen die Augen. Vielleicht liegt es an der Höhe, wobei 1.000 m ja nun nicht gerade alpin zu nennen ist. Weiter geht es und der Pfad wird schlechter. Immer wieder müssen wir durchs Gestrüpp ausweichen, weil das Wasser zu hoch steht. Dann erreichen wir den eigentlichen Trail, der auch gleichzeitig der alte Pilgerweg von Oslo nach Nidaros ist. Die Nidaroswege sind, ähnlich wie der Jakobsweg, ein Netz aus Pilgerwegen die alle am Nidarosdom enden. Der Trail ist eher ein Steig, ganz schmal und steinig muss man jeden Schritt mit Bedacht setzen. Dann geht es wieder über ein Schneefeld und wir erreichen sehr mooriges Gebiet. Hier ist der Weg mittlerweile komplett im Wasser von der Schneeschmelze, dazu hat es auch noch angefangen zu regnen. Am Anfang kann man sich noch von Stein zu Stein tasten. Aber irgendwann wird der gesamte Trail zum Bach. Wir geben auf, das macht keinen Spaß mehr. Also heisst es ab hier wieder retour. Unser geplantes Picknick lassen wir ausfallen, gegessen wird wenn wir im Trocknen sitzen. Als erstes geht es wieder bis zum Wegpunkt, an dem wir vom See-Weg auf den Pilgerpfad gekommen sind. Und diesmal bleiben wir auch auf dem Weg und folgen bis zurück zum Parkplatz wo unser Tatzel steht. Nach insgesamt gut 4 Stunden sind wir zurück. Als erstes ziehen wir unsere nassen Sachen aus, dann wird Brotzeit gemacht. Da wir heute noch an einer Dumpingstation vorbeikommen, nutzen wir den Nachmittag und gönnen uns eine Dusche. Duftig frisch und aufgewärmt machen wir uns auf den Weg Richtung Otta. Auf etwa halber Strecke fahren wir durch Dombǻs. Boah, was ein Betrieb, ein riesiger Parkplatz, zwei Tankstellen und sicherlich 30 oder 40 Wohnmobile. Schnell weiter, und kurze Zeit später erreichen wir Otta. Auf einem großen Parkplatz, der gleichzeitig auch ein kostenloser Wohnmobilstellplatz ist, gibt es eine Dumpingstation. Das übliche: Grauwasser raus, Kassette leeren, Frischwasser rein. So präpariert geht es nun weiter zu unserem nächsten Ziel, das Mysusæter Servissenter. Dabei handelt es sich um einen hochgelegenen großen Parkplatz mitten im Nationalpark Rondane. Ab hier starten etliche Wanderwege in den verschiedensten Schwierigkeitsstufen. Dazu gibt es ebenfalls eine Dumpingstation (was wir aber nicht wussten) dazu ein Café und einen kleinen Laden. Die letzten 7,5 km sind eigentlich eine Sackgasse, allerdings gibt es quasi zwei Wege parallel. Zum einen die FV444, die wir auf dem Rückwegfahren wollen. Und dann gibt es noch eine kleine unbenannte Straße. Die ist allerdings etwas versteckt, und im ersten Anlauf biegen wir falsch ab weil uns eine Schranke abschreckt. Allerdings merken wir nach gut 200 m, dass der Weg hinter der Schranke richtig sein muss. Nun heisst es zurücksetzen. Ich will aussteigen, aber mein Mann kurvt das Stück auch so zurück, ohne Rückfahrkamera oder meine Hilfe. Die Schranke öffnet sich nach Bezahlung einer Gebühr in Höhe von 40 NOK, was ungefähr 4 Euro entspricht, das hält unsere Urlaubskasse aus. Kurz nach der Schranke ist ein kleiner Parkplatz, dort steht ein Kastenwagen (natürlich auch Deutsche) und angeln. Dann beginnen spannende 7,5 km. Der Weg führt geschottert, schmal und sehr steil direkt neben einem Bergbach entlang. Zwischendurch drehen die Vorderräder immer wieder leicht durch, klar wir haben das ganze Gewicht auf der Hinterachse, Tatzel ist aber nun mal ein Frontler. Aber mein Mann schaukelt uns ganz entspannt den Berg rauf. Also er ganz entspannt ? ich nicht ganz so. Die Beifahrerperspektive ist nun mal eine andere als die des Fahrers. Oben angekommen erreichen wir den wirklich riesigen Parkplatz. Es steht bereits einen Handvoll Fahrzeuge dort, die Übernachtung kostet 50 NOK, zahlbar im Laden oder im Café. Wie wir aber feststellen müssen, ist hier noch alles geschlossen. Die Saison beginnt erst im Juli. Also stehen wir kostenlos, denn eine andere Bezahlmöglichkeit gibt es nicht. Draussen beginnt es wieder zu regnen. Wir kuscheln uns rein, ich koche Espresso und dann beginnt Peter die Planung für unsere Wanderung morgen. Ich schnappe mir den Rechner und tipper schon mal. Den restlichen Abend werden wir vermutlich mit Rätseln und lesen verbringen, das sind doch schöne Aussichten.



Samstag, 11. Juni 2022
Die Nacht über regnet es weiter, aber am Morgen begrüßt uns Sonnenschein. Was für ein Glück. Heute haben wir nur eine kurze Etappe vor uns, es geht zum Dovrefjell Nationalpark, knapp 30 km Fahrweg. Dort gibt es noch wilde Moschusochsen. man kann eine geführte Tour machen (pro Kopf ca. 60 ?, 8 Stunden, 15 km Klettersteig), alternativ kann man auf gut Glück so laufen in der Hoffnung, welche zu sehen. Anhand unseres Kartenmaterials entscheiden wir uns, als erstes zum Touristcenter in Kongsvold Fjeldstue zu fahren, dem Ort an dem früher auf dem Königsweg zwischen Oslo und Trondheim die Pferde gewechselt wurden. Dort wollen wir uns über mögliche Trails und grundsätzlich über den Nationalpark informieren. Aber wie so oft sind wir viel zu früh, also nicht von der Uhrzeit sondern vom Datum. Die Touristinfo öffnet erst in 14 Tagen. Diese Info erhalten wir von einer netten Dame aus dem Hotel, das sich direkt neben der Touristinfo befindet. Sie empfiehlt uns, einfach hier zu parken und eine der ausgeschilderten Routen zu laufen, denn die nächste Touristinfo ist mindestens 30 min Fahrzeit entfernt. Weiterhin warnt sie uns, dass zu Beginn des einen Wanderwegs ein Moschusochse gesichtet wurde, der sehr aggressiv ist, grundsätzlich empfehlen alle Warnschilder, mindestens zweihundert Meter Abstand zu Moschusochsen zu halten. Gesagt ? getan. Wenige Meter weiter können wir recht gut parken, und es starten direkt am Parkplatz zwei Wanderrouten. Daher packen wir schnell den Rucksack, wechseln die Schuhe und los geht es. Ich bin am Anfang noch naiv und denke dass wir in ein oder zwei Stunden zurück sind. Aber der Weg führt steil ins Hochgebirge, wir müssen zweimal durch Schneefelder, und wie immer sind Teile der Route durch die Schneeschmelze überflutet. Wir marschieren immer weiter, und während der ganzen Zeit begegnen uns nur drei andere Paare beim wandern, es ist einfach herrlich abgeschieden. Die Hochebene ist gigantisch, natürlich sehen wir keinen Moschusochsen. Aber ganz ehrlich, bei der Weite könnten hier hundert Tiere liegen und wir würden es wahrscheinlich nicht sehen. Die Dimensionen der Landschaft sind einfach unglaublich. Zur Not könnten wir ja noch eine geführte Tour machen, aber eigentlich ist uns die Einsamkeit lieber als ein tolles Photo. Zumal unserer Handys bei 200 m Distanz eh kein scharfes Bild hinbekommen. Nach guten dreieinhalbt Stunden machen wir ein kurzes Päuschen, essen eine Banane machen uns auf den Rückweg. Zurück kommen wir deutlich schneller voran, allerdings halten wir auch nicht mehr die ganze Zeit Ausschau nach Tieren. Kurz vorm Ende des Trails kommen wir wieder an der Stelle vorbei, wo ein Moschusochse sein soll. Und tatsächlich sehen wir in gut 250 m Entfernung einen riesigen Fellhaufen, der plötzlich aufsteht und anfängt sich an einer Birke zu schubbern. Was für ein gigantisches Tier. Ausser uns sind mittlerweile noch mehr Wanderer aufgetaucht, die versuchen Photos zu machen. Aber aus der Distanz haben wir keine Chance. Dann kommt ein Paar mit Kameras und Objektiven die sicherlich 40 cm lang sind, die können bestimmt tolle Bilder machen. Aber das sind auch Profi-Ausrüstungen. Wir geniessen einfach den Anblick des Giganten, und nach einer Weile traben wir zurück zum Womo. Dort koche ich erst mal einen Espresso, denn wir sind ganz schön ko. Das war deutlich anstrengender als gedacht, wir sind auf weit über 1.000 m gekraxelt. Peter entdeckt auf Google Maps in gut 3 km Entfernung einen Parkplatz, mal schaun ob der was für heute Nacht ist. Wenige Minuten später kommen wir an, und der Platz ist wirklich nett. Es stehen schon 3 Wohnmobile dort, aber die Fläche ist wirklich riesig. Wir stellen uns dazu und es werden sicherlich noch mehr Fahrzeuge bis zum Abend dazukommen. Gegenüber ist ein Hügel, den erklimmen wir noch schnell und machen noch ein paar schöne Photos von unserem Wohnmobil. Dann geht es zurück, Essenszeit! Da der Himmel droht und es bereits tröpfelt, werfe ich die Nackensteaks wieder in die Pfanne, dazu gibt es den restlichen Salat vom Vortag und Brot. Und zum trinken machen wir uns einen leckereren Weisswein auf. Mutter hat uns zu Weihnachten zwei ihrer Bleikristall-Römer vermacht, die kommen jetzt endlich mal zur Geltung. Da von diesem Parkplatz aus wieder diverse Wanderwege starten, ist der Plan für morgen klar ? es geht wieder ins Hochland. Nach dem Essen schnappe ich mir schnell den Rechner und tipper eine Runde. Danach will ich noch Brote für die Tour morgen schmieren. Und vermutlich werden wir danach sehr schnell im Bett verschwinden. So müde war ich schon lange nicht mehr.



Samstag, 11. Juni 2022
Kurz vor 6 Uhr legt die erste Fähre an und weckt uns. Also eigentlich nicht die Fähre, denn die ist ja wirklich superleise. Aber die runterfahrenden Autos machen spektakel. Da wir jedoch gestern noch geduscht und Route geplant haben, sind wir erst deutlich nach 1 Uhr ins Bett gegangen. Daher drehen wir uns nochmal rum, ignorieren den Lärm und schlafen noch mal gute zwei Stunden weiter. Gegen 8 Uhr pulen wir uns aus dem Bett, ein schnelles Frühstück und weiter geht es. Das erste Ziel des Tages ist die sogenannte Atlantikstrasse. Wie immer vermeiden wir die großen Überlandstrassen, daher starten wir auf der 710 und es geht die ganze Zeit am Trondheimfjord entlang. Das Wetter ist gut, wir haben kurzzeitig satte 17°, aber wirklich nur kurz, dann fällt das Thermometer auf die beständigen 11° - 12° zurück. Die Landschaft ist unglaublich, und wir cruisen gemütlich durch die Gegend. Ab Orkanger müssen wir dann mal auf die E39, da gibt es keine Alternativen. Später biegen wir auf die 680 ab, dann führt die Route am Rovatnet entlang. Ab Gammellǻven fahren wir am Trondheimleia lang, einer Meerenge im Bereich Møre og Romsdal und Trøndelag. Ungezählte Kurven, Tunnel und Brücken später erreichen wir Tømmervǻg. Dort geht es auf die Fähre nach Seivika. Wieder eine Elektrofähre ? das heisst wir gleiten wieder quasi lautlos durchs Wasser. Ausser uns sind noch zwei weitere Wohnmobile auf der Fähre, eines davon so ein riesiger Marelo ? oder wie wir sagen: 3 Zimmer Küche Diele Bad Balkon. Die Dame des Hauses diskutiert gerade recht lautstark mit ihrem Gatten, dass sie jetzt unbedingt mal ein Hotel braucht, denn Ihre Fingernägel wären ja schon ganz ramponiert und würden dringend Pflege bedürfen. Ok, meine Fingernägel würden jetzt auch keinen Blumentopf gewinnen, aber wir touren gerade durch Norwegen, wir campen! Zum Glück liebt mich mein Mann in pur - so wie ich bin. Und auch mal mit nem Fleck auf der Hose, solange ich dafür jeden Blödsinn mitmache und auf jeden Berg mit kraxel so weit ich komme. Aber genug gelästert - das gibt schlechtes Karma. Runter von der Fähre und weiter geht es nach Kristiansund. Dort halten wir als erstes bei der Esso um zu dumpen. Das Duschen gestern hat doch gut 15 l Wasser verbraucht die wir als Grauwasser ablassen und als Frischwasser nachtanken. Dann erreichen wir die Atlantikstrasse. Dieses knapp 10 km lange Stück Strasse führt über 8 Brücken und diverse kleine Inseln und gehört zu den absoluten Touristenhighlights. Es gibt alle paar hundert Meter Parkplätze, so kann man jederzeit einen Photostop einlegen. Wir halten einfach mal überall. Und treffen lustigerweise - und mittlerweile zum drittenmal auf unserer Tour - einen Norweger der auch gerade mit seiner VW Caravelle durch die Gegend tourt. Die Aussicht ist zu beiden Seiten toll, allerdings kann ich natürlich nur rechts aus dem Fenster photographieren. Also wendet Peter kurzerhand in Vevang, und fährt den ganzen Spaß zurück, so sieht man die Strasse aus einem ganz anderen Blickwinkel. Da wir aber weiter in den Osten wollen, müssen wir nun tatsächlich die Straße ein drittes Mal fahren, damit wir am Kvernesfjorden entlang zum Tingfjorden kommen, und dann weiter Richtung der Nationalparks. Es ist mittlerweile spät geworden, und wir fangen an uns einen Stellplatz für die Nacht zu suchen. Während wir an der Driva entlangfahren, und die Stromschnellen bewundern, sehen wir einen kleinen Abzweig zum Wasser runter. Na vielleicht finden wir ja da was. Peter wendet und zirkelt den schmalen Weg runter. Dann sehen wir eine kleine Schotterfläche. Ob das der Parkplatz ist? Naja, vielleicht kommt ja noch etwas besseres zum parken. Wir fahren weiter, die Straße ist nur unwesentlich breiter als Tatzel. Am Anfang kommen noch zwei kleine Ausweichbuchten. Und dann, als natürlich weit und breit keine Ausweichmöglichkeit da ist, dann kommt ein Audi entgegen. Tja, irgendjemand muss jetzt rückwärtsfahren Und wir sind es in diesem Fall nicht. Der Audi Fahrer schaut zwar leicht genervt, aber dann legt er den Rückwärtsgang ein, zirkelt geschätzt einen Kilometer rückwärts bis wir eine Stelle erreichen an der wir gerade so aneinader vorbei passen. Wir fahren noch ungefähr 2 km weiter, dann geben wir auf, wenden und fahren zurück. Plötzlich fällt Peter ein, dass wir ja bei Nortrip registriert sind. Das ist so etwas wie Landvergnügen in Norwegen. Man zahlt einmalig eine Jahresgebühr, dafür darf man bei allen teilnehmenden Landwirtschaftlichen Betrieben eine Nacht umsonst stehen. Und wir haben Glück, genau auf unserer Route in 55 km Entfernung ist ein Bauernhof der 4 Stellplätze anbietet. Wir melden uns telephonisch kurz an, und eine Stunde später stehen wir auf einem geschotterten Platz hinter dem Bauernhaus. Auf Wunsch können wir sogar Strom und Wasser bekommen, ausserdem steht ein Dixie-Klo zur Verfügung. Aber wir sind es ja gewohnt autark zu stehen, uns reicht der Schotterplatz. Eigentlich wollen wir noch grillen, aber kurz nach unserer Ankunft öffnen sich die Schleusen und es schüttet und hagelt. Also kommen die Nackensteaks in die Pfanne. Dazu gönnen wir uns einen Flasche Sekt, heute ist mein 52. Geburtstags. Tja, wie die Zeit vergeht. Morgen geht es dann zur Touristinfo im Dovrefjell Nationalpark, die nächsten Tage wollen wir wandern. Hoffentlich beruhigt sich das Wetter wieder.